Liegt es daran, dass der Mensch in Krisenzeiten nach jedem Strohhalm greift? Oder ist das menschliche Gedächtnis wirklich so kurz? Die beiden Fragen drängen sich auf, wenn man heute in „Welt online“ liest, die Banken erwägen eine Rückabwicklung der Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler-Gruppe in Herzogenaurach. Angeblich wollen sie zunächst die 49, 9 Prozent der Continental AG von Schaeffler übernehmen.

Zur Erinnerung: Zwei Bankenkonsortien hatten sich im Sommer 2008 mehr als nur eine goldene Nase verdient, als sie den Übernahmeversuch von Schaeffler und die Verteidigung von Continental mit Rat und Finanzierungspaketen unterstützten. Sie konnten hohe viele Millionen schwere Honorare abrechnen, und die Siegerseite durfte sich auf die Finanzierung des Übernahmepreises freuen.

75 Euro pro Aktie waren den Conti-Aktionären zugesagt worden, deutlich mehr als die Conti-Aktie in jenen Tagen an der Börse erzielte. Conti hatte dabei sicher nur seine Shareholder und nicht seine Stakeholder im Blick. Doch stellte auch der überhöhte Preis für Schaeffler offenbar keine überzogene Forderung dar. Man war sich sicher, dass der Deal sinnvoll und die Finanzlast zu schultern war.

Doch dann kamen die Banken wieder ins Spiel; die Finanzkrise begann. Das riss auch den Kurs der Conti-Aktie mit in die Tiefe. Auf einmal stand eben nicht der tatsächliche Börsenpreis von rund 45 Euro zu Buche, sondern inzwischen nur noch 12,80 Euro (3. März 2009). Die Lücke bis zum Conti-Restwert von 17 Prozent wollen sie nicht auf ihre Kappe nehmen, auch wenn sie die selbst überwiegend verursacht haben. Die Continental AG hatte sich mit einer Sonderabschreibung von einer Milliarde Euro auf den Kauf von Siemens VDO und mit dem Gerücht, man plane eine Kapitalerhöhung auch heftig an der negativen Kurspflege beteiligt.

Gleichzeitig geschah der kommunikative Super-Gau, als die Boulevardpresse der Schaeffler-Chefin Marie-Elisabeth Schaeffler unterstellte, sie als Milliardärin wolle sich ihr Problem vom Steuerzahler bezahlen lassen, als hätte sie die Milliarden unter dem Kopfkissen und sei nur zu geizig, sie herzugeben. Seltsam, wie naiv manche Medien denken, wenn sie den deutschen Neidhammel unterhalten wollen.

Schlimmer aber als diese dümmliche Darstellung ist aber nun die Dreistigkeit der Banken. Sie haben den Wert der Unternehmen in den Keller gefahren und sehen nun keine andere Möglichkeit mehr, als sich leider zumindest des Vermögens der „Schaefflerin“ zu bemächtigen. Der allgemeinen Sprachregelung folgend, haben sich nicht die Banken, sondern die Milliardärin verzockt. Die will mit ihrem Vermögen trotzdem dafür einstehen, aber wenigstens eine Sperrminorität behalten. Aber so sind Kriegsgewinnler: Sie kriegen den Hals nicht voll und schämen sich nicht.

Der Politik müsste das eigentlich gleich zwei Mal quer heruntergehen. Denn erstens geht es um Banken, die sich längst unter dem Schutzschirm der Bundesregierung ihrer Schulden und ihrer Schuld entledigen. Und zweites reden wir bei Schaeffler und Conti über weltweit 220 000 Arbeitsplätze, also um zehn Mal mehr als bei Opel.

Von Peter Schwerdtmann