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A gelabelter Winterreifen muss nicht unbedingt gut sein

label-winterreifenLangsam wer­den Win­ter­reifen wieder aktuell. Ihre weicheren Gum­mimis­chun­gen und ihre vie­len Lamellen verbessern das Haftver­mö­gen auf kalter nass­er oder gar glat­ter Straße wesentlich. Wer neue kauft, find­et ein „Label“ für die Leis­tun­gen. Es sagt aber wenig — und kann bei M+S‑Profil sog­ar in die Irre führen.

Von Kühlschränken oder Fernse­hern ist man sie längst gewohnt: Kennbuch­staben für die „Energie-Effizienz“. Bei Kühlschränken ist die Sache klar: Sie sollen gut kühlen und wenig Strom ver­brauchen. „A“ ist hier die beste Note. „Bei Autor­eifen“, betont Juha Pirho­nen, Entwick­lungsin­ge­nieur beim großen finnis­chen Reifen­her­steller Nokian, „ist die Sache weit kom­pliziert­er. Das neue Reifen­la­bel sieht nur zwei Ken­nwerte vor für die Haf­tung auf Nässe und für den Roll­wider­stand, dazu eine Zahl für die Geräuschen­twick­lung. Das ist viel zu wenig, um die Stärken und Schwächen eines Reifens auszu­drück­en!“

Er erk­lärt auch gle­ich, warum. „Autor­eifen müssen eine Vielzahl sehr ver­schieden­er Anforderun­gen erfüllen. Der Grip auf Nässe und der Roll­wider­stand sind dabei wichtige Kri­te­rien, aber beileibe nicht die einzi­gen. Wichtig sind z. B. auch die Lenkpräzi­sion, das Ver­hal­ten bei viel Wass­er auf der Fahrbahn (Aqua­plan­ing), die Schnel­l­lauf-Fes­tigkeit, der Kom­fort – und nicht zulet­zt die Lebens­dauer. Für alle diese Kri­te­rien gibt es aber keine Kennbuch­staben!“

Das Prob­lem dabei: Manche dieser Anforderun­gen ste­hen sich gegenüber. Hoher Kom­fort und exak­te Reak­tion auf kleine Lenkbe­we­gun­gen sind ein solch­er Gegen­satz: Ersteres erfordert weiche, let­zteres harte Reifen. Oder niedriger Roll­wider­stand und lange Lebens­dauer. Leicht rollen Reifen, wenn sie leicht gebaut sind – wenn der Lauf­streifen dün­ner wird. Dies aber kann gerin­gere Pro­filtiefe und mit ihr kürzere Lebens­dauer bedeuten.

Noch schwieriger wer­den die Ver­hält­nisse bei Win­ter­reifen. Weit mehr als Leicht­lauf und Lebens­dauer ste­hen sich Nass- und Schnee- bzw. Eis­griff gegenüber. Ein Reifen mit her­vor­ra­gen­der Haf­tung auf Nässe kann auf Eis nicht gle­icher­maßen her­vor­ra­gend sein. „Das ist Physik und nicht so leicht zu ändern“, sagt Nokian-Mann Pirho­nen. Er weiß, wovon er spricht: Sein M+S‑Reifen ‘WR D3’ wurde jüngst Sieger bei „Auto, Motor und Sport’, auch beim ADAC, der „Auto-Zeitung“ und „Test“ schnitt er gut ab.

Nokian hat bere­its einen Som­mer­reifen mit den Best­noten „A“ für Roll­wider­stand und Nass­griff. Aber M+S‑Profil mit zweimal „A“ kann Pirho­nen sich nicht vorstellen. „Wir glauben auch nicht, dass es vernün­ftig wäre: Was nutzt ein her­vor­ra­gen­der Nässe-Reifen, wenn er auf Schnee und Eis ver­sagt?“ Ähn­lich sieht es Miche­lin: „Für die Sicher­heit auf unter­schiedlich­sten Fahrbah­nen ist neben ein­er speziellen Pro­filgestal­tung und Gum­mimis­chung auch eine große Pro­filtiefe erforder­lich. Sie wirkt sich neg­a­tiv auf den Roll­wider­stand aus”, erläutert Test- und Tech­nikleit­er Thomas Ober­mess­er!“

Reifen kön­nen immer nur ein Kom­pro­miss sein, der die vie­len und zum Teil gegen­sät­zlichen Anforderun­gen so gut wie möglich unter einen Hut bringt. Auto­her­steller beurteilen Reifen in bald 100 Diszi­plinen, bevor sie sie als Serien­berei­fung freigeben. Ser­iöse Fachzeitschriften, auch die Stiftung War­entest und der ADAC, bew­erten viel mehr Eigen­schaften als das neue Reifen-Label zeigt. „Das noch dazu die typ­is­chen Eigen­schaften eines Win­ter­reifens gar nicht abbildet, wed­er die Trak­tion auf Schnee und Eis, noch kurze Brem­swege unter win­ter­lichen Straßen­ver­hält­nis­sen“, stellt Dr. Bernd Löwen­haupt, Ein­wick­lungs­di­rek­tor Pkw-Reifen bei Goodyear Dun­lop, klar.

Das neue Label kann allen­falls grobe Ori­en­tierung bei Som­mer­reifen sein. Viel mehr Infor­ma­tion liefern ser­iöse Test­berichte. Die freilich jedes Jahr ähn­lich aus­fall­en: Die großen Marken ver­di­enen Ver­trauen, heißen sie nun Con­ti­nen­tal, Dun­lop, Goodyear, Miche­lin oder Pirelli. Noch neu im Club der Pre­mi­um­marken ist der finnis­che Her­steller Nokian. In aller Regel gut schnei­den auch die etwas preiswert­eren Zweit­marken der großen Her­steller ab, beispiel­sweise Sem­per­it (zu Con­ti­nen­tal gehörend) oder Ful­da (Goodyear). Gute Test­noten ver­di­enen sich mit­tler­weile auch etliche Importe z. B. aus Japan, etwa Toyo. Sehr preiswerte unbekan­nte Importe indes ent­täuschen bei den Ver­gle­ichen noch immer häu­fig.

M+S‑Profile sind auf win­ter­lich­er Straße nicht nur Vorschrift (mit­tler­weile in sehr vie­len Län­dern), son­dern wirk­lich nötig. Miche­lin: „Ein durch­schnit­tlich­er Per­so­n­en­wa­gen benötigt mit Win­ter­reifen rund 35 Meter, um auf schneebe­deck­ter Fahrbahn aus 50 km/h zum Still­stand zu kom­men. Mit Som­mer­reifen wächst der Brem­sweg auf 43 Meter. Der Wagen würde mit 22 km/h auf­prallen, wenn das Fahrzeug mit Win­ter­reifen schon ste­ht!“ Die Reparatur wäre mit Sicher­heit teur­er als der Satz guter Win­ter-Räder – der zudem das Leben der Som­mer­reifen entsprechend ver­längert.