Der indische Reifenhersteller Apollo Tyres prüft alternative Standorte in Ungarn und anderen Ländern, nachdem das Unternehmen vor zwei Wochen bekannt gegeben hatte, die geplante neue Fabrik in Gyöngyös (Ostungarn) mit einem Investitionsvolumen von rund 200 Mio. Euro wegen „administrativer Hürden“ doch nicht zu errichten. Apollo Tyres teilte zudem mit, dass die Firma einer möglicherweise Unruhe stiftenden Volksabstimmung zuvor kommen möchte.

Sogleich bewarben sich nicht weniger als 44 Städte und Gemeinden für die Fabrik, die zunächst für 900 und zu einem späteren Zeitpunkt für insgesamt 1.500 Arbeitsplätze sorgen wird. Aus den Bewerbern wählte die im Besitz des Wirtschaftsministeriums befindliche Agentur für Investitions- und Handelsentwicklung ITD Zrt. zehn aus, die ihrer Meinung nach die Bedürfnisse von Apollo Tyres befriedigen könnten. Alle zehn Gemeinden befinden sich weniger als eine Autostunde von Budapest entfernt, so die Nachrichtenagentur MTI. Apollo Tyres könnte allerdings zugleich mit dem Rückzug aus Gyöngyös Ungarn auch ganz den Rücken kehren. Nach einer Information des Unternehmens vom vergangenen Mittwoch wird die neue Standortwahl wahrscheinlich mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Im Januar dieses Jahres hatte Apollo Tyres die Errichtung einer Reifenfabrik in Gyöngyös bekannt gegeben. Von diesem Standort aus sollten der europäische und der nordamerikanische Markt mit einem Absatzvolumen von derzeit insgesamt sieben Mio. Reifen pro Jahr – vergleichbar mit dem Absatz der ebenfalls umstrittenen Dunaújvároser Reifenfabrik Hankook – beliefert werden. Die Produktion sollte im Juni 2009 anlaufen, Vorverträge waren bereits unterzeichnet. Indes stellte sich der Fidesz-Ortsverband von Gyöngyös unter seinem Vorsitzenden László Tatár gegen das Projekt und initiierte eine Volksabstimmung. Laut Tatár ist die Gegend um Gyöngyös bereits jetzt stark von Schwerindustrie belastet und könne einen weiteren umweltverschmutzenden Betrieb nicht vertragen.

In einer Erklärung gab Apollo Tyres bekannt, dass die Firma als „sozial verantwortlich handelndes Unternehmen“ keine Unruhe in der Bevölkerung stiften wolle und „mit Gemeinden zusammen arbeiten möchte, die die Vorzüge dieser Investition wertschätzen.“ Das Unternehmen fügte hinzu, dass das Referendum seiner Ansicht nach die Verhinderung der Investition „aus Gründen, die mit der Praxis der modernen Reifenherstellung und den Standards, denen Apollo Tyres verpflichtet ist, nichts zu tun haben“, zum Ziel habe.

„Ungarn muss nun ein Spiel um 1.500 Arbeitsplätze wiederholen, das es eigentlich schon gewonnen hatte“, wetterte Wirtschaftsminister Gordon Bajnai in einer Pressemitteilung im Anschluss an die Entscheidung von Apollo Tyres. Regierungssprecherin Bernadett Budai warf dem Fidesz vor, Investitionsprojekte zu sabotieren und mit seinem Versuch, die Errungenschaften der Regierung zu unterminieren, gegen die Interessen des Landes zu handeln. „Wir fordern die Kommunalpolitiker des Fidesz auf, die Interessen der Bevölkerung und des Landes und nicht diejenigen von Viktor Orbán vor Augen zu haben“, so Budai weiter.

Der Fidesz wies die harsche Kritik zurück, indem er betonte, dass die Entscheidung des Reifenherstellers vorwiegend auf administrativ bedingte Verzögerungen beim Grundstückkauf und bei der Einholung von Bewilligungen zurück zu führen sei. Die stellvertretende Parteivorsitzende Ildikó Gáll Pelcz sagte, dass der Fidesz als Sündenbock für die Verfehlungen der Regierung herhalten müsse. Diese habe ein Schulbeispiel dafür geliefert, wie man eine Grüne-Wiese-Investition nicht planen sollte. Laut Gáll Pelcz sei die mangelnde Transparenz seitens der Regierung ausschlaggebend für den Rückzug von Apollo Tyres gewesen. So hätte man Anwohnern nur sieben Tage Zeit eingeräumt, eine 50-seitige Umweltverträglichkeitsstudie bezüglich der Reifenfabrik zu lesen. Die stellvertretende Fidesz-Vorsitzende sagte, dass der Fidesz die Angelegenheit als lokales und nicht als politisches Problem betrachte und gab zu Bedenken, dass sich nach dem Nein zu Gyöngyös auch zahlreiche Fidesz-geführte Gemeinden als alternativer Standort beworben hätten.