Mit einer neuen Generation leistungsfähiger Motorsteuerungs-Systeme schafft der internationale Automobilzulieferer Continental die Voraussetzungen, die in den kommenden Jahren geltenden verschärften Abgasrichtlinien der Euro 6-Norm und die notwendigen CO2-Einsparungen zu erreichen.
Mit dem Engine Management System 3 (EMS 3) stellt Continental den Automobilherstellern erstmals eine Motorsteuerungsplattform zur Verfügung, die auf einer offenen Systemarchitektur nach AUTOSAR- Standard basiert und damit große Flexibilität für die Umsetzung neuer Systemkonfigurationen bei den Antriebskonzepten bietet. "Herausragende Neuerungen sind unter anderem die höhere Funktionsintegration im Chipsatz, die verbesserte Skalierbarkeit sowie die damit verbundene Größen- und Gewichtsreduktion. Mit den neu definierten Mikrocontroller-Leistungsklassen werden zukünftig Märkte von der einfacheren MPI-Motorsteuerung, also Anlagen mit Port Injection wie der Continental EASY-U bis hin zu komplexen Lkw-Motorsteuerungen bedient", sagte Prof. Peter Gutzmer, Leiter der Business Unit Engine Systems der Continental Division Powertrain, während des Wiener Motorensymposiums.
Offene Systemarchitektur für Antriebskonzepte der Zukunft
Auch wenn auf absehbare Zeit der Verbrennungsmotor mit Otto- oder Dieselmotor noch das beherrschende Antriebskonzept für Personen- und Nutzfahrzeuge ist, so stellt sich bereits jetzt die Herausforderung, Hybridkomponenten und die weiter fortschreitende Elektrifizierung des Antriebsstrangs in die Architektur der Motorsteuerung einzubinden. Solche kombinierten Antriebskonzepte erfordern eine stärkere Vernetzung der Informationen im Antriebsstrang. Überdies gilt es, verschärfte Abgas- und Verbrauchsbestimmungen zu berücksichtigen. Dazu zählen die kommende Abgasnorm Euro 6 und vor allem die gesetzlichen Regeln zur Verbrauchs- und damit CO2-Senkung und den daraus resultierenden hohen Strafsteuern für Autohersteller, die diese Sparziele nicht erreichen. Die Motorsteuerung gehört damit zu den Schlüsselkomponenten des Fahrzeugantriebs.
Die neue EMS 3 Motorsteuerung basiert auf einer offenen Architektur nach AUTOSAR-Standard (AUTomotive Open System ARchitecture) mit klar definierten Schnittstellen. Damit ist die PowerSAR Funktions- und Softwareplattform in der Lage, unterschiedliche Systempartitionierungen und Elektroniktopologien, welche sich aus Hybridisierung und Elektrifizierung ergeben, flexibel zu unterstützen. Die Motorsteuerungsplattform führt die Funktionsbasis von Benzin- und Diesel-Systemen konsequent weiter zusammen und erlaubt es, die vielfältigen Technologieoptionen im Antriebsbereich, die in den Fahrzeugen zum Einsatz kommen, abzudecken. Dabei lassen sich durch die offene Architektur Softwarelösungen des Autoherstellers oder anderer Zulieferer einbinden.
Die hochkomplexen Steuerungsprozesse basieren immer mehr auf physikalischen Rechenmodellen, die zu einer höheren Genauigkeit der Abläufe im und um den Motor herum führen. So lässt sich der Luftpfad, also die Versorgung des Motors mit Luft, mit der EMS 3 wesentlich exakter über solche physikalischen Modelle abbilden, womit eine noch präzisere Steuerung der Einspritzung und Zündung ermöglicht wird. Überdies ermöglicht es die Motorsteuerung, sowohl bei Diesel- als auch Benzinmotoren identische Softwarekomponenten für den Luftansaugtrakt zu verwenden.
Das System ist darauf ausgelegt, verbrauchsreduzierende Technologien wie variable Ventilsteuerung oder Zylinderabschaltung zu integrieren. Die Einbindung von Sensoren und Aktuatoren erfolgt zunehmend über intelligente Subsysteme, die die Genauigkeit, Lebensdauer oder Diagnosefähigkeit der Komponente verbessern. Durch geschlossene Regelkreise für Einspritzinjektoren (closed loop control) lässt sich zum Beispiel die Genauigkeit und Dynamik der Kraftstoffeinspritzung weiter steigern. Neuartige Sensoren werden ebenfalls in der EMS 3 integriert, wie die von Continental entwickelten Zylinder-Drucksensoren zur Brennverlaufsregelung oder der neu entwickelte Rußpartikel-Sensor. Ein solcher Sensor wird zur Einführung der Euro 6-Norm voraussichtlich unumgänglich, damit das On-Board-Diagnosesystem (OBD) des Fahrzeugs zuverlässig ermitteln kann, ob der Rußpartikelfilter seine volle Leistung erbringt. Der Continental Rußpartikel-Sensor misst anhand elektrischer Widerstandsänderungen den von der Rußkonzentration im Abgas abhängigen Rußbelag, der sich auf der Oberfläche des keramischen Sensors abgesetzt hat. Bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte löst der Sensor in der Software hinterlegte Fehlermeldungen aus.
Skalierbare Elektronik-Module geben Motorenentwicklern mehr Gestaltungsspielraum
Zu den herausragenden Neuerungen der EMS 3 zählen die höhere Integration im Chipsatz, die verbesserte Skalierbarkeit und die dadurch erzielbaren Größen- und Gewichtseinsparungen. Die 32-Bit- Mikrocontroller in fünf neu definierten Leistungsklassen reichen von einfacheren Motorsteuerungen für automobile Wachstumsmärkte bis hin zu komplexen Motorsystemen. Mit EMS 3 nutzt Continental zugleich konsequent das Potenzial der anwendungsspezifischen integrierten Schaltungen weiter (ASIC, Application Specific Integrated Circuits).
Als Ergebnis werden die Fahrzeug- und Motorvarianten noch stärker auf einer identischen, standardisierten Basis der Motorsteuerungs- Hardware aufbauen können – Standardisierung bedeutet Qualitätssteigerung, höhere Reife und Kosten sowie Zeitreduzierung. Allein durch Änderungen der Software wird es möglich sein, eine Motorenplattform für den Einsatz in verschiedenen Modellen anzupassen oder Funktionen für Motoren mit drei, vier, sechs oder acht Zylindern wiederzuverwenden. Dazu werden etwa Injektorsteuerung, Hochdruck-Pumpenansteuerung oder auch die Linear-Lambda-Sensordatenerfassung so generisch entwickelt, dass Anpassungen an die verwendeten Komponenten möglichst einfach werden.
Ein Beispiel für diese gewonnene Flexibilität der EMS 3 Plattform ist das Lambdasonden-Interface. Durch die Softwarekonfiguration des Interface-ASIC ist es möglich, verschiedene Ausführungen von Lambdasonden einzusetzen, ohne die Hardware der ECU ändern zu müssen. Mit diesem Interface werden zukünftig verschiedene Sondentypen unterstützt.
Von diesem Ansatz "Variabilität für den Anwendungsfall des Kunden durch maximal standardisierte Hard- und Softwaremodule" profitieren auch neue Technologien und Konfigurationen wie die Elektrifizierung oder Hybridisierung des Antriebsstranges. So kann ein Elektroantriebs-Controller aus dem vorhandenen Verbrennungsmotor-Controller abgeleitet werden. Durch Übernahme der fahrzeugseitigen Lösungen lässt sich das erweiterte Steuergerät mit geringem Zusatzaufwand bereitstellen.
Elektronik im Auto gewinnt immer stärker an Bedeutung
Bereits heute entfällt mehr als ein Drittel der Wertschöpfung eines Fahrzeugs auf Elektronik und Informatik. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren auf über 50 Prozent steigen. Vor allem in heutigen Motorkonzepten spielt die Elektronik eine herausragende Rolle. Sie steuert die Aktuatorik, also Injektoren, Pumpen oder Zündung und regelt mit Hilfe von Sensorik wie Temperaturgeber, Lambda-Sonde, Motorgeschwindigkeits- und Positionsgeber das Drehmoment, den Kraftstoffverbrauch und die Abgasemissionen. Die steigende Komplexität zeigt sich zum Beispiel daran, dass sich allein in den letzten Jahren der Speicherbedarf der Motorsteuerungssysteme fast verdreifacht hat.