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6. Continental-Studentenumfrage

Der Staat hat im Ver­lauf der anhal­tenden Finanz- und Wirtschaft­skrise “mehr als notwendig getan”. Diese Auf­fas­sung vertreten in diesem Som­mer rund 42 Prozent der deutschen Stu­den­ten, zu Jahres­be­ginn waren es knapp 24 Prozent. Während im Som­mer jed­er vierte Hochschu­la­b­sol­vent der Mei­n­ung ist, die Regierung habe sich “völ­lig richtig” ver­hal­ten, war es zu Jahres­be­ginn noch fast jed­er Dritte.

“Zu wenig” getan zu haben, attestiert der Regierung nur eine ver­schwindende Min­der­heit. Gle­ichzeit­ig spricht sich etwa die Hälfte der Hochschu­la­b­sol­ven­ten dafür aus, dass sich die öffentliche Hand stärk­er an Schlüs­selin­dus­trien beteili­gen soll. Trotz der schw­eren Rezes­sion schätzen die Hochschüler ihre eige­nen Kar­ri­ereaus­sicht­en weit­er über­wiegend als “gut” bis “sehr gut” ein.

Das sind einige Ergeb­nisse der repräsen­ta­tiv­en 6. “Con­ti­nen­tal-Stu­den­tenum­frage” unter ange­hen­den Inge­nieuren, Natur- und Wirtschaftswis­senschaftlern, die der inter­na­tionale Auto­mo­bilzulief­er­er am 4. Sep­tem­ber in Berlin präsen­tiert hat. TNS/Infratest hat­te rund 1.000 Stu­den­ten nach ihren Ansicht­en zu Kar­riere, Arbeitswelt und Hochschul­themen befragt. Weit­er­er The­men­schw­er­punkt war in diesem Jahr die Ein­schätzung der Stu­den­ten zu Fra­gen rund um die Wirtschaft­skrise. Deshalb hat Con­ti­nen­tal erst­mals eine zweistu­fige Erhe­bung vornehmen lassen: Der ersten umfassende Befra­gung im Jan­u­ar fol­gte eine Nacher­he­bung Ende Juni / Anfang Juli, um eine mögliche Verän­derung des Mei­n­ungs­bildes im Ver­lauf der Rezes­sion und ihrer Fol­gen aufzeigen zu kön­nen.

“Wir haben als inter­na­tion­al aufgestelltes Tech­nolo­gie­un­ternehmen mit Stamm­sitz in Deutsch­land bei unser­er langjährig angelegten Studie in diesem Jahr ganz bewusst einen Schw­er­punkt beim The­ma Wirtschaft­skrise gelegt. Als Autozulief­er­er sind wir natür­lich auch von den Auswirkun­gen betrof­fen.

Umso mehr inter­essiert es uns, wie unsere poten­ziellen kün­fti­gen Leis­tungsträger in Forschung und Entwick­lung eben­so wie im Man­age­ment mit diesem The­ma umge­hen. Deshalb betra­cht­en wir es als aus­ge­sprochen pos­i­tives Zeichen, dass die deutschen Hochschu­la­b­sol­ven­ten ihre Kar­ri­ereaus­sicht­en trotz neg­a­tiv­er Wirtschafts­dat­en auch im langjähri­gen Ver­gle­ich unverän­dert über­wiegend sehr pos­i­tiv sehen. Die Stu­den­ten nehmen offen­sichtlich die Her­aus­forderun­gen an, ein ’gestriges’ Wirtschafts­feld zu restruk­turi­eren, bzw. ein in Teilen neues zu schaf­fen”, sagte Con­ti­nen­tal-Per­son­alvor­stand Heinz-Ger­hard Wente.

74 Prozent der Stu­den­ten sehen ihre Kar­ri­ereaus­sicht­en als “sehr gut” bzw. “gut”, wobei die Män­ner mit 80,8 Prozent sog­ar einen Prozent­punkt über dem Wert der Stu­den­tenum­frage von 2008 liegen. Die Ein­schätzung der per­sön­lichen Wet­tbe­werb­s­fähigkeit der Studieren­den als “sehr gut” oder “gut” steigt weit­er und ver­fehlt den Top-Wert von 2006 (57,7 Prozent) um nur 1,3 Prozent­punk­te. Trotz dieses grundle­gen­den Selb­st­be­wusst­seins glaubt die Hälfte der Befragten (Jan­u­ar 50 / Juni/Juli 52 Prozent), dass der Beruf­se­in­stieg durch die Krise neg­a­tiv bee­in­flusst wird. Der meist­ge­nan­nte Aspekt für diese Neg­a­tivein­schätzung: Schwierigkeit­en den Job­wun­sch zu real­isieren (Jan­u­ar 5,3 / Juni/Juli 21,2 Prozent).

“Die Studieren­den schätzen ihre Kar­ri­erechan­cen jet­zt als gut ein. Und das wird auch so bleiben, wenn sie sich im lebenslan­gen Ler­nen immer wieder einen Wis­sensvor­sprung erar­beit­en”, kom­men­tiert Prof. Dr. Sabine Remdisch, Vize-Präsi­dentin der Leuphana Uni­ver­sität Lüneb­urg und Ver­ant­wortliche für den Bere­ich “Lebenslanges Ler­nen”, die Kar­ri­ereaus­sicht­en der Hochschüler.

In Sachen Finanzmärk­te beurteilen rund 40 Prozent (Jan­u­ar 38,4 / Juni/Juli 41,9 Prozent) der Befragten ihren Ken­nt­nis­stand mit “gut”. Rund ein Drit­tel (Jan­u­ar 33,8 / Juni/Juli 35,5 Prozent) glaubt, “gut” über Mark­t­sys­teme in ein­er glob­al­isierten Welt mitre­den zu kön­nen. Gut zwei Drit­tel (Jan­u­ar 62 /Juni/Juli 63,5 Prozent) geben dage­gen an, zum Bere­ich Kon­trolle und Reg­ulierung der Finanzmärk­te “zu wenig” zu wis­sen.

Mehr als die Hälfte (Jan­u­ar 52,2 / Juni/Juli 52,1 Prozent) der Stu­dentin­nen und Stu­den­ten sind der Mei­n­ung, dass die Mark­tregeln im Zuge der Glob­al­isierung neu definiert bzw. neu erfun­den wer­den müssen. Auf Nach­frage hal­ten 18,7 Prozent (Juni/Juli 16,3 Prozent) eine verän­derte staatliche Reg­ulierung und/oder Kon­trolle für nötig. 11,5 Prozent (Juni/Juli 10,2 Prozent) sprechen sich für Ein­schränkun­gen und/oder Ver­bote von (hoch-)spekulativen bzw. riskante Finanzpro­duk­ten aus. Knapp ein Drit­tel (Jan­u­ar 27,7 / Juni/Juli 28,5 Prozent) kann oder möchte zum The­ma Neude­f­i­n­i­tion der Mark­tregeln keine Stel­lung beziehen.

Etwa die Hälfte der Befragten (Jan­u­ar 51,7 / Juni/Juli 46 Prozent) fordert, der Staat solle sich an Schlüs­selin­dus­trien wie die Auto­mo­bilin­dus­trie, der Maschi­nen­bau oder die Energiev­er­sorg­er stärk­er beteili­gen und sich so mehr Ein­fluss zu sich­ern. 31,4 Prozent (Jan­u­ar), bzw. 38,2 Prozent (Juni/Juli) sind der Mei­n­ung, der Staat solle sich aus der Wirtschaft her­aushal­ten. Am deut­lich­sten äußern diese Mei­n­ung Wirtschaftswis­senschaftler (Jan­u­ar 42,3 / Juni/Juli 47,1 Prozent), wohinge­gen bei den Natur­wis­senschaftlern nur knapp jed­er Dritte (Jan­u­ar 25,6 / Juni/Juli 32,9 Prozent) dieser Mei­n­ung ist.

“Mich beein­druckt, dass die Mehrheit der Befragten meinen, der Staat hätte in der Krisen­be­wäl­ti­gung mehr als genug getan. Das soll­ten sich die Poli­tik­er, die vor dem Hin­ter­grund der Krise meinen, unser Wirtschafts- und Gesellschaftssys­tem umkrem­peln zu müssen, hin­ter die Ohren schreiben!” kom­men­tiert Prof. Dr.-Ing. E.h. Henkel, Senior Berater der Bank of Amer­i­ca, die Ergeb­nisse. Dr. Wil­fried Pre­wo, Haupt­geschäfts­führer der Indus­trie- und Han­del­skam­mer Han­nover fügt hinzu: “Die Con­ti-Studie zeigt eines sehr klar: Der weitaus über­wiegende Teil der Studieren­den sieht seine Zukun­ft in pri­vatwirtschaftlichen Unternehmen. Das belegt deut­lich, wie aus­geprägt das Ver­trauen in das Sys­tem der Mark­twirtschaft ist. Gut zwei Drit­tel der ange­hen­den Wirtschaftswis­senschaftler, Inge­nieure oder Natur­wis­senschaftler leg­en keinen Wert darauf, in einem Unternehmen mit staatlichem Ein­fluss oder gar unter staatlich­er Kon­trolle zu arbeit­en.”

Zum The­ma Begren­zung von Man­agerge­häl­tern ist die Stu­den­ten­schaft ges­pal­ten. Im Jan­u­ar sind 54,1 Prozent und im Juni/Juli 48,7 Prozent der Befragten der Mei­n­ung, dass die Fes­tle­gung der Höhe der Man­agerge­häl­ter Sache der Unternehmen und nicht des Staates sein soll. 41,5 (Jan­u­ar) bzw. 48,2 Prozent (Juni/Juli) sind jedoch überzeugt, dass Man­agerge­häl­ter per Gesetz begren­zt wer­den soll­ten. Im Jan­u­ar wurde diese Gren­ze bei durch­schnit­tlich 575.000 Euro angegeben, im Juni/Juli liegt sie bei 608.000 Euro. Unter­schiede gibt es hier zwis­chen den ver­schiede­nen Fachrich­tun­gen und den Befra­gungszeiträu­men: Natur­wis­senschaftler durch­schnit­tlich 543.000/561.000 Euro, Wirtschaftswis­senschaftler durch­schnit­tlich 520.000/754.000 Euro, Inge­nieur­wis­senschaftler durch­schnit­tlich 751.000/712.000 Euro.

Wenn im Zusam­men­hang mit der Finanzkrise vom Fehlver­hal­ten der Eliten die Rede ist, dann sind sich die Mehrheit der Stu­dentin­nen und Stu­den­ten einig: Eine zu hohe Risikobere­itschaft, ohne dafür ein­ste­hen zu müssen (Jan­u­ar 62,7 / Juni/Juli 61,3 Prozent) und keine hin­re­ichende Haf­tung für die Ver­ant­wortlichen (Jan­u­ar 55,6 / Juni/Juli 58,8 Prozent) fördern ihrer Ansicht nach ein Fehlver­hal­ten. Die Ver­schleierung der wahren Ver­hält­nisse (Jan­u­ar 61,8 / Juni/Juli 60,6 Prozent) und die Unehrlichkeit der Akteure (Jan­u­ar 59,6 / Juni/Juli 55,9 Prozent) wer­den außer­dem ange­führt.

Ein weit­eres Kapi­tel der Umfrage beschäftigte sich mit dem The­ma Ethik. Mit diesem Begriff assozi­ieren die Hochschu­la­b­sol­ven­ten im All­ge­meinen Moral (45,3 Prozent), men­schlich kor­rek­tes Ver­hal­ten und/oder Han­deln (33,5 Prozent), ein Empfind­en für Falsch und Richtig (12,7 Prozent), all­ge­me­ingültige Nor­men (12,4 Prozent) und Regeln des Miteinan­ders (12,1 Prozent). Bei offen­er Fragestel­lung sind im Bezug auf Ethik in der Wirtschaft den Befragten die fol­gen­den Punk­te wichtig: Jed­er Fün­fte (21,3 Prozent) gibt an, dass eine faire Behand­lung von Arbeit­nehmern, Liefer­an­ten und Kun­den wichtig ist. 14,8 Prozent geben zu Bedenken, dass das Unternehmen­sziel nicht nur auf die Gewin­n­max­imierung aus­gerichtet sein kann. Nach­haltigkeit, bzw. nach­haltiges Wirtschaften, umweltverträglich­es Pro­duzieren und Han­deln eracht­en 13,7 Prozent für wichtig. Für jeden Zehn­ten fall­en gerechte Ent­loh­nung, gle­ich­er Lohn für gle­iche Arbeit (11,3 Prozent) und all­ge­meines Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein (10,6 Prozent) unter den Begriff Ethik in der Wirtschaft.

“Die Fra­gen zur Ethik all­ge­mein und zum ethis­chen Han­deln in der Wirtschaft beschäfti­gen uns natür­lich auch. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand, der ein Stück Ver­ant­wor­tung für die cur­ric­u­lare Aus­gestal­tung von Stu­di­en­pro­gram­men trägt, nicht ern­sthaft über­legt, wie man zuge­hörige Schlüs­selkom­pe­ten­zen stärken kann”, sagte Prof. Dr.-Ing. habil. Jens Strack­el­jan, Prorek­tor für Studi­um und Lehre an der Otto-von-Guer­icke-Uni­ver­sität Magde­burg.