Für den deutschen Reifenfachhandel war 2010 unerwartet erfolgreich. Dieses erste Fazit zieht der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV e.V., Bonn) nach Analyse der vorläufigen Zahlen des Geschäftsjahres.
Anders als in den Vorjahren entwickelte sich das Reifenersatzgeschäft in allen Segmenten – von Pkw- über Off-Road-, Leicht-Lkw, Lkw- und Motorradreifen bis hin zu Reifen für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Baumaschinen (AS- und EM-Reifen) deutlich positiv.
Obwohl erst im Februar/März mit gesicherten Marktdaten zu rechnen ist, schätzt der Verband, dass der Handel 2010 im Segment Pkw insgesamt rund zehn Prozent mehr Reifen an Verbraucher verkaufen konnte als im Vorjahr. „Als Spätfolge der Abwrackprämie des Jahres 2009 sowie dank anhaltend winterlicher Straßenverhältnisse im Januar und Februar gelang unserer Branche ein exzellenter Jahresstart, der zu einem starken Abbau der Bestände an Winterreifen führte. Dieser Entwicklung folgte ein deutlich über dem Vorjahr liegendes Sommer- sowie ein rechtzeitig einsetzendes Winterreifengeschäft, das unser aller Erwartungen übertraf.“, kommentiert Peter Hülzer, geschäftsführender BRV-Vorsitzender, dieses Ergebnis. Lang anhaltendes Winterwetter auch zum Jahresende, die lebhafte öffentliche Diskussion um die Winterreifenpflicht und die letztlich Anfang Dezember in Kraft getretene Novelle des ‚Winterreifenparagrafen‘ in der Straßenverkehrsordnung beflügelten den Absatz an M+S-Reifen, deren Gesamtabsatz von 27,4 Millionen Stück sogar das bisherige Rekordergebnis des Jahres 2006 einstellen konnte. „Die Steigerung der Verkaufszahlen um 12,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist nach unserer Analyse jedoch nicht vorrangig das Ergebnis der StVO-Novelle, sondern vielmehr auf einen ganz normalen Ersatzbedarf der in 2006 gekauften Pkw-Winterreifen zurück zu führen“, erläutert dazu BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler, „denn als der geänderte Paragraf in Kraft getreten ist, hatte die Mehrzahl der Verbraucher ihre Pkw für den Winter bereits umgerüstet.“
Im Nutzfahrzeugbereich – also den Segmenten Llkw-, Lkw-, AS- und EM-Reifen – wirkte sich der allgemeinwirtschaftliche Aufschwung positiv auch auf die Reifenbranche aus. Mit dem Einsetzen der Krise wurden zahlreiche Investitionen gestoppt und insbesondere in der Speditionsbranche Fuhrparks ausgeflaggt. Jetzt kommt es dank verbesserter Geschäftslage bei den Gewerbekunden des Reifenhandels zu einem starken Nachholeffekt, der Investitionsstau wird langsam aufgelöst. Die Zuwachsraten in den oben genannten Segmenten des Reifenersatzgeschäftes liegen zwischen knapp 7 (Leicht-Lkw-) und sagenhaften 33 Prozent (EM = Reifen für Erdbewegungsmaschinen). Betrachtet man die ursprüngliche Prognose für 2010 von 4,8 Prozent Plus in der Produktgruppe Lkw- und Stagnation bei AS-(Ackerschlepper) Reifen, sind jedoch die vorläufigen Ergebnisse von 22,6 respektive 10 Prozent Zuwachs auch in diesen beiden Segmenten ein fantastisches Resultat.
Auch die Motorradfahrer haben ihre fahrbaren Untersätze offenbar im vergangenen Jahr wieder mehr bewegt bzw. dank erhöhter Konsumfreude in Summe häufiger neu bereift als im Vorjahr. Während der Bonner Reifenfachverband auch in diesem Reifensegment für 2010 mit einer Stagnation der Absatzzahlen gerechnet hatte, konnte der Reifenfachhandel von Januar bis Dezember mit 1,3 Millionen Stückabsatz rund 15 Prozent Plus verbuchen.
„Für den deutschen Reifenfachhandel war das Jahr 2010 ganz überwiegend von Erfolgen geprägt, wenngleich diese nicht nur der Eigeninitiative und dem Engagement unserer Branche zu verdanken waren“, resümiert BRV-Chef Hülzer. „Auch die gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Rahmenbedingungen haben erheblich zum Erfolg beigetragen.“
Trotz der sehr positiven Entwicklung in 2010 bleibt der Verband bei seiner Einschätzung, dass das Reifenersatzgeschäft im privaten wie gewerblichen Bereich mittelfristig durch folgende grundsätzliche Trends beeinflusst wird:
- Tendenziell längere Nutzung der Reifen in Richtung gesetzlicher bzw. empfohlener Mindestprofiltiefe (Sommerreifen 1,6 mm, Winterreifen 4 mm), wenngleich eine Anhebung der gesetzlich fest gelegten Mindestprofilgrenze für 2011 auf der politischen Agenda von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer stehen dürfte;
- Tendenziell geringere Fahrleistung pro Pkw, wobei das Jahr 2009 insbesondere von einem z.T. drastischen Rückgang im Flotten- und Leasingbereich geprägt war (sowohl bei Sommer- als auch Winterreifen);
- Tendenziell längere Laufleistung der Pkw-Reifen im Ergebnis der ständigen Produktentwicklung, die auch dadurch belegt sind, dass der Rekordabsatz von 53,4 Mio Stück Pkw-Reifen gesamt aus 2006 in 2010 (51,8 Mio Stück) nicht erreicht werden konnte
In seiner Prognose bleibt der Verband daher eher vorsichtig und rechnet laut erster Einschätzung mit folgenden Zuwachspotenzialen für 2011: Pkw-Reifen + 1,0 Prozent Off-Road-Reifen + 6,0 Prozent Llkw-Reifen + 1,7 Prozent Lkw-Reifen + 3,0 Prozent Motorradreifen + 0,8 Prozent AS-Triebradreifen + 1,0 Prozent EM-Reifen + 2,9 Prozent.