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Hintergrund Dieselfilter-Skandal

Der Skan­dal hat viele Facetten! Über 40 000 Diesel-Pkw-Fahrer sind noch immer mit man­gel­haften Ruß­par­tikelfil­tern unter­wegs und kassieren Steuer­vorteile. Die Ein­fahrt in Umwelt­zo­nen ist ihnen nicht ver­wehrt.

Die Aus­lös­er des Skan­dals um manip­ulierte Die­selfil­ter, vor­nan das Glad­beck­er Unternehmen GAT, hal­ten offen­sichtlich unverän­dert seit Novem­ber 2007 (!) mit ein­er aben­teuer­lichen Ankündi­gungsserie über neue Fil­ter Poli­tik und Auto­mo­bil­wirtschaft in Atem. Wann kom­men die neuen Pro­duk­te? – Stark dif­ferierende Angaben über die Zahl aus­ge­tauschter Fil­ter oder aus­gegeben­er Gutscheine für einen späteren Wech­sel des manip­ulierten Pro­duk­ts verärg­ern Poli­tik, Behör­den und Umweltver­bände.

Trotz Som­mer­pause und des Oba­ma-Besuchs herrscht, wie „PS Auto­mo­bil Report“ erfuhr, hin­ter den poli­tis­chen Kulis­sen in der Haupt­stadt hek­tis­che Aktiv­ität. Die von den Ver­bän­den des Teile­han­dels (GVA), den Auto­häusern und Werk­stät­ten (ZDK) getrof­fene Kulanzregelung ste­ht auf schmalem Grat vor der Entschei­dung. Die Bun­desregierung wolle nach unbestätigten Mel­dun­gen bere­its im Sep­tem­ber über den Entzug der All­ge­meinen Betrieb­ser­laub­nisse für die man­gel­haften Fil­ter aus den Häusern GAT, Bosal und Ten­neco entschei­den.

Das hat seinen Grund, denn nach Infor­ma­tio­nen von „PS Auto­mo­bil Report“ ist die Bun­desregierung entsprechend des Ver­wal­tungsver­fahrens­ge­set­zes inner­halb von zwölf Monat­en seit Ken­nt­nis eines Man­gels in der Pflicht, entsprechende Vor­gaben für die Lösung des Kon­flik­ts auf den Weg zu brin­gen. Und dies kön­nte im Sep­tem­ber so weit sein – übri­gens zeit­gle­ich zur Ser­vicemesse Auto­mechani­ka in Frank­furt. Denn die Frist zu ein­er Lösungs­find­ung begann zu dem Zeit­punkt, als das Prob­lem bekan­nt wurde: im Sep­tem­ber 2007. So gab während der IAA des ver­gan­genen Jah-res das erste Fachge­spräch mit Ver­bän­den, Her­stellern, Umweltschützern und der Poli­tik den Blick auf einen Skan­dal frei, dessen ganzes Aus­maß bis heute offen­sichtlich nicht bekan­nt ist.

Bun­des­geschäfts­führer Resch von der Deutschen Umwelthil­fe (DUH) soll die Min­is­te­rien mit Hin­weis auf das Umwelt­in­for­ma­tion­s­ge­setz aufge­fordert haben, „bin­nen 14 Tagen“ aktuelle Zahlen zu nen­nen. Die DUH erk­lärt in einem Brief, dass „die bish­er veröf­fentlicht­en Zahlen offen­sichtlich unvoll­ständig waren“.

Eine „Zeit­bombe juris­tis­ch­er Natur“ tickt par­al­lel zu den schlep­pen­den Nach­fra­gen nach Aus­tausch und den eben­so zöger­lichen finanziellen Erstat­tun­gen des Teile­han­dels und der Fil­ter­her­steller. Diese Zahlen schwanken zwis­chen 1500 und knapp 7000 aus­ge­tauscht­en Pro­duk­ten. Weit ent­fer­nt von dem Vol­u­men, das Bun­desumwelt­min­is­ter Gabriel fordert.

Den Skan­dal kom­plett macht derzeit ein Infor­ma­tions-Wirrwarr über Aus­tausch und Gutscheine. ZDK-Sprech­er Hel­mut Blümer wollte Fra­gen von „PS Auto­mo­bil Report“ nicht beant­worten, warum der Teile­han­del von rund 20 000 erset­zten Fil­tern und Gutscheinen spreche, der ZDK als Bun­desver­band der Werk­stät­ten lediglich von knapp 4000. – „Wir wären froh, wenn unsere Zahlen falsch sein soll­ten,“ sagte Blümer dem „PS Auto­mo­bil Report“. Man werde in den näch­sten Wochen alle Zahlen trans­par­ent machen.

Ob diese Aktiv­itäten aus­re­ichen, wird zwis­chen­zeitlich in Zweifel gezo­gen: Wahrschein­lich­er als ein Erfolg der Kulanzregelung scheint derzeit ein Entzug der ABE für die man­gel­haften Pro­duk­te. Dies wäre nicht nur mit der Aberken­nung der Steuer­vorteile und in den meis­ten Fällen mit dem Entzug der Umwelt­plakette gle­ichzuset­zen, son­dern mit einem Imageschaden für Teile­han­del, Werk­stät­ten und Fil­ter­pro­duzen­ten. Das Pro­dukt Die­selfil­ter habe kaum noch Zukun­ftschan­cen, wed­er für den kaufmän­nis­chen noch den umwelt­poli­tis­chen Erfolg. Es geht um viel Geld in der Nachrüs­tung, denn das Kfz-Gewerbe hat „wahrschein­liche 1,2 bis 1,5 Mil­lio­nen Fil­ter-Nachrüs­tun­gen“ einst mit einem Umsatz von fast ein­er Mil­liarde Euro bez­if­fert.

Neue Zahlen zu „Betrugs­fil­tern“

Erst waren es rund 39 000 man­gel­hafte Die­selfil­ter, zwis­chen­zeitlich sprach die Branche von 45 000 fehler­haften Pro­duk­ten, und jet­zt ist die Rede von einem Vol­u­men von „bis zu 60 000 und mehr“. Jür­gen Resch, Geschäfts­führer der Deutschen Umwelthil­fe (DUH), legt nach Infor­ma­tio­nen von „PS Auto­mo­bil Report“ die Fin­ger tiefer in die Wunde. – In der Branche macht der Ter­mi­nus vom „Super-GAU“ die Runde, könne man doch die Kosten pro defek­ten Fil­ter und dessen Aus­tausch auf bis zu 1000 Euro bez­if­fern. Ein Mil­lio­nen-Skan­dal und alles andere als ein „Sturm im Wasser­glas“, den einige noch vor Jahres­frist mut­maßten, als sich Hin­weise auf die Betrugs­fil­ter konkretisierten.

(Ent­nom­men aus der aktuellen Aus­gabe des Branchen-Infor­ma­tions­di­en­stes PS-Auto­mo­bil­re­port)

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