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Kommentar: Continental Werksschließung

Als Con­ti­nen­tal 2007 die Fer­ti­gung für Autor­eifen im Stammw­erk Han­nover-Stöck­en schloss, erlebte das Unternehmen einen unge­heuren, bun­desweit­en Protest­sturm, wie man ihn bei den betrof­fe­nen rund 370 Mitar­beit­ern offen­bar nicht erwartet hat­te.

Jet­zt geht es um mehr als dop­pelt so viele Mitar­beit­er im Lkw-Reifen­werk in Stöck­en. Und auch diese Aktion wächst sich zu einem Poli­tikum aus, beschäftigt die Bun­deskan­z­lerin Angela Merkel (CDU) und den franzö­sis­chen Präsi­den­ten Niko­las Sarkozy, in dessen Land Con­ti eben­falls ein Reifen­werk schließen will.

Intern, bei Betrieb­sräten und der Gew­erkschaft sowie bei Auf­sicht­sräten und in der Poli­tik über­raschte der Zeit­punkt. Hat­te man doch ger­ade im Auf­sicht­srat zusam­menge­sessen, ohne über die Werkss­chließung in Stöck­en zu sprechen. Aus dem ersten Fall Stöck­en hat­te man sicher­lich gel­ernt, wie man solche Beschlüsse geschick­ter hätte kom­mu­nizieren kön­nen. Wollte man das in diesem Fall vielle­icht gar nicht? Sieht man die Ankündi­gung zweier neuen Schließun­gen gar als Möglichkeit, den neuen Großak­tionär Scha­ef­fler-Gruppe ein weit­eres Mal zu düpieren?

Erin­nern wir uns. Kaum war die Über­nahme des größeren Zulief­er­ers Con­ti durch die kleinere Scha­ef­fler-Gruppe aus Her­zo­ge­nau­rach spruchreif, kam aus dem Con­ti-Haup­tquarti­er in Han­nover eine Rei­he von neg­a­tiv­en Nachricht­en, die den Aktienkurs der Con­ti nach unten prügel­ten: Den Anfang machte eine Gewin­nwar­nung, dann fol­gte die Botschaft, wegen des Erwerbs von Siemens VDO müsse man rund eine Mil­liarde Euro abschreiben. Danach fol­gte die Erken­nt­nis, dass das so groß gefeierte Geschäft mit Lithi­u­mio­nen-Bat­te­rien nur in kleinem Rah­men stat­tfind­en wird. Der dama­lige Finanzvor­stand Alan Hippe legte nach, indem er in den USA durch­blick­en ließ, man denke über eine Kap­i­taler­höhung nach. Dann die Bekan­nt­gabe des Ver­lustes von rund ein­er Mil­liarde Euro für das Jahr 2009 und schließlich das Hippe-Beken­nt­nis in der Bilanz-Pressekon­ferenz, Siemens VDO sei „kein Schnäp­pchen“ gewe­sen.

Im Kampf gegen Über­nah­men nen­nt man so etwas „Gift­pillen“, die dem Übernehmer die Freude verder­ben sollen. Im Fall Con­ti­nen­tal-Scha­ef­fler ver­schärfte die Finanzkrise diese Aktien­preis drück­enden Aktiv­itäten bis hin zu einem schein­bar unlös­baren Fall und dem Ruf nach Hil­fe vom Staat für die Über­brück­ung.

Nun neigt die Börse nor­maler­weise dazu, Ankündi­gun­gen von Schließun­gen teur­er Werke zu goutieren. Das fand in diesem Fall nicht statt. Die Sorge vor dem poli­tis­chen Krach und möglichen Arbeit­skämpfen oder juris­tis­chen Auseinan­der­set­zun­gen bremst diesen Effekt offen­bar aus. Der Kurs pen­delt jeden­falls weit­er­hin zwis­chen 13 Euro und 14 Euro pro Con­ti-Aktie. Deswe­gen bleibt der Ver­dacht, dass bei dieser Ankündi­gung aus heit­erem Him­mel – allen Beteuerun­gen der Con­ti, kon­struk­tiv mit Scha­ef­fler zusam­me­nar­beit­en zu wollen zum Trotz – eine heftige Auseinan­der­set­zung um die Con­ti­nen­tal in Kauf genom­men wird. Das würde die Diskus­sion mit der Poli­tik um Staat­shil­fe für Scha­ef­fler sich­er nicht erle­ichtern.

Doch die Scha­ef­flers wis­sen jet­zt, dass ihnen die Banken mehr Zeit ein­räu­men, um das Con­ti-Pferd vom Eis zu holen. Den­noch darf man ges­pan­nt sein, ob es noch weit­ere Über­raschun­gen aus Han­nover zu bericht­en geben wird.

Von Peter Schw­erdt­mann