Reicht der Warn- und Erziehungseffekt einer Geldbuße aus, kann auf ein Fahrverbot verzichtet werden – eine Regelung die vielfach übersehen wird. „Voraussetzung ist allerdings, dass der Betroffene persönliche Gründe anführen kann, welche eine Ausnahme vom Fahrerbot angemessen erscheinen lassen“, erläutert Rechtsanwalt Christian Demuth aus Düsseldorf.

Der Verkehrsstrafrechtler weist darauf hin, dass selbst bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 71 km/h ein milderes Fahrverbot erwirkt werden kann.

Mit dieser Geschwindigkeitsüberschreitung war im konkreten Fall ein selbstständiger Versicherungsvertreter unterwegs. Das ihm drohende dreimonatige Fahrverbot hätte ihn allerdings seine Existenz gekostet: Der Alleinernährer einer fünfköpfigen Familie erzielte ein monatliches Netto-Einkommen von 3.500 €. Er beschäftigte keine Mitarbeiter und musste regelmäßig Kunden im großräumigen Rhein-Main-Gebiet sowie im gesamten Bundesgebiet besuchen. Der Betroffene konnte das Gericht mit einer Gegenüberstellung seiner Einnahmen auf der einen Seite sowie der Kosten für einen anzustellenden Fahrer und der monatlichen Belastungen durch Miete, Lebenshaltung, Privatschule und Kfz-Leasinggebühren auf der anderen Seite überzeugen: Dieses verhängte lediglich ein einmonatiges Fahrverbot und hob zum Ausgleich die Geldbuße deutlich an.

Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass ein staatlicher Eingriff verhältnismäßig, also erforderlich uns angemessen sein muss. Und das gilt auch für Fahrverbote. „Wenn angesichts dieser Grundlage vom Verteidiger dargelegt wird, dass die Erhöhung der Geldbuße ausnahmsweise ausreicht, um auf den Betroffenen hinreichend einzuwirken“, betont Demuth, „dann darf ein Fahrverbot nicht angeordnet werden.“

In der Praxis tun sich die Gerichte immer schwerer, Angaben zu den beruflichen Folgen eines Fahrverbots zu akzeptieren. Oft werden die Betroffenen darauf verwiesen, für die Zeit des Fahrverbots ihren Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen. Umso wichtiger ist es daher, frühzeitig zusammen mit einem Anwalt entsprechende Anträge in das Verfahren einzubringen. „Das sollte schon beim Verfahren vor der Bußgeldstelle beginnen“, rät Verkehrsstrafrechtler Demuth. Außerdem weist er darauf hin, dass auch wegen einer zu langen Verfahrensdauer zwischen Tatzeitpunkt und endgültigem Urteil von einem Fahrverbot abzusehen sein kann. Dies gilt in etwa bei einem Verfahrenszeitraum von zwei Jahren.