Seite wählen

Orientierungshilfen im Dschungel der Autoreifen

Wer einen Per­so­n­enkraft­wa­gen heute mit neuen Reifen bestück­en will, hat die Qual der Wahl. Denn die Anzahl der im Reifen­er­satzgeschäft ange­bote­nen Marken, Dimen­sio­nen und Mod­el­l­vari­anten ist nahezu unüber­schaubar.

Einen ersten Anhalt­spunkt in der Suche gibt zwar ein Blick in die Fahrzeug­pa­piere. Doch seit Ein­führung der neuen zweit­eili­gen „Zulas­sungs­bescheini­gung“, die ab Herb­st 2005 die früher gebräuch­liche Kom­bi­na­tion aus Fahrzeugschein und Fahrzeug­brief abgelöst hat, ist dies tat­säch­lich nur noch ein erster Anhalt­spunkt. Denn Teil I dieser Zulas­sungs­bescheini­gung weist jew­eils für Vorder- und Hin­ter­achse lediglich eine zuläs­sige Reifen­größe aus und macht auch keine Angaben mehr zu Fel­gen (auch als Räder beze­ich­net), während im früheren Fahrzeugschein zumeist mehrere ver­wend­bare Größen angegeben waren.

Wer nach Alter­na­tiv­en sucht, muss heute das so genan­nte COC-Papi­er (cer­tifi­cate of con­for­mi­ty) kon­sul­tieren; das ist die beim Neuwa­genkauf mit gelieferte EG-Übere­in­stim­mungs­bescheini­gung für das Fahrzeug. Hier sind alle vom Fahrzeugher­steller frei gegebe­nen Rad-/Reifenkom­i­na­tio­nen aufge­führt. Wer das nicht zur Hand hat, wird auch im Inter­net fündig: Die ein­schlägi­gen Reifen­her­steller bieten auf ihren Web­seit­en über Tools wie z.B. Goodyear-Tire­m­an­ag­er, Con­ti­nen­tal- RäderKon­fig­u­ra­tor oder andere den Zugriff auf entsprechende Daten­banken. Anhand der Kfz- Schlüs­sel­num­mern aus der Zulas­sungs­bescheini­gung oder alter­na­tiv über die Eingabe von Hersteller/ Fahrzeugtyp/Modelljahr/Motorisierung kann man darüber die her­steller­seits für das Fahrzeug frei gegebe­nen Berei­fungsalter­na­tiv­en recher­chieren.

Je nach Fahrzeug kann die hier gefun­dene Auswahl schon beträchtlich sein, doch möglicher­weise gibt es sog­ar noch mehr Rad-/Reifenkom­bi­na­tio­nen, mit denen das Auto legal im öffentlichen Verkehr bewegt wer­den dürfte. „Denn genau so zuläs­sig wie die durch den Fahrzeugher­steller frei gegebe­nen und in die Fahrzeug­pa­piere einge­tra­ge­nen Berei­fun­gen sind solche, die der EURichtlin­ie 92/23/EWG entsprechen und gemäß den im Anhang zu dieser Richtlin­ie fest gelegten Vorschriften mon­tiert sind“, erläutert Hans-Jür­gen Drech­sler, Geschäfts­führer des Bun­desver­ban­des Reifen­han­del und Vulka­niseur-Handw­erk (BRV e.V., Bonn). Das heißt konkret:

  • Die Reifen müssen für die EG type­n­genehmigt sein. Das ist erkennbar an dem auf der Reifen­flanke ein­vulka­nisierten E-/ECE-Kennze­ichen, das seit Her­stel­lungs­da­tum 1. Okto­ber 1998 für Motorrad‑, Pkw- und Lkw-Neureifen verbindlich ist.
  • Zudem muss die max­i­male Tragfähigkeit jedes Reifens, der an einem Pkw mon­tiert wird, für die Achse mit der höch­sten Belas­tung min­destens der Hälfte der vom Fahrzeugher­steller angegebe­nen höch­sten Achslast entsprechen. Diese find­et sich im alten Fahrzeugschein unter Zif­fer 16 und in der neuen Zulas­sungs­bescheini­gung Teil I unter Zif­fer 7.1–7.3. Wenn also beispiel­sweise das Zulas­sungspa­pi­er die höch­ste Achslast mit 1.230 kg ausweist, muss jed­er der an diesem Fahrzeug mon­tierten Reifen min­destens eine Tragfähigkeit von 615 kg haben. Das wiederum ist für den Fach­mann erkennbar an dem so genan­nten Tragfähigkeitsin­dex, ein­er zwei- bis dreis­tel­li­gen Zahl am Ende der Größen­beze­ich­nung des Reifens. Bei einem Reifen der Größe 195/65 R 15 91 T z.B. kennze­ich­net die Zahl 91 (615 kg) die max­i­male Tragfähigkeit des Reifens in Abhängigkeit der spez­i­fizierten Geschwindigkeit.
  • Außer­dem muss jed­er Reifen, mit dem ein Fahrzeug aus­gerüstet ist, ein Geschwindigkeit­skat­e­goriesym­bol aufweisen, das der bauar­tbes­timmten Höch­st­geschwindigkeit des Fahrzeuges zuzüglich ein­er so genan­nten TÜV-Tol­er­anz (Faus­tregel: 9 km/h) entspricht. Die Höch­st­geschwindigkeit des Autos ist vom Fahrzeugher­steller fest gelegt und in Zif­fer 6 des Fahrzeugscheins bzw. Zif­fer T der Zulas­sungs­bescheini­gung Teil I angegeben. Auch hierzu ein Beispiel: Weist die Zulas­sungs­bescheini­gung eine Kfz-Höch­st­geschwindigkeit von 180 km/h aus, müssen die Reifen am Fahrzeug min­destens 189 km/h aushal­ten, was dem Geschwindigkeitsin­dex T (= Höch­st­geschwindigkeit 190 km/h) oder höher (U, H, VR, V, ZR, W oder Y) entspricht. In diesem Index, einem oder zwei Buch­staben am Ende der Größen­beze­ich­nung des Reifens, ist die vom Reifen­her­steller zuge­lassene Höch­st­geschwindigkeit des Reifens ver­schlüs­selt.

„Die Materie ist für den Laien sehr kom­pliziert, denn wer ken­nt schon die Indices für Tragfähigkeit und Geschwindigkeit? Deshalb würde ich jedem Aut­o­fahrer rat­en, sich nur das Wichtig­ste zu merken“, emp­fiehlt Reifen­ex­perte Drech­sler. „Erstens: es gibt zuläs­sige Alter­na­tiv­en zu den von den Auto­her­stellern frei gegebe­nen Pkw-Berei­fun­gen – auch wenn sie sich von diesen unter­schei­den. Und zweit­ens: für die Ver­wen­dung dieser Alter­na­tiv­en ist keine Änderung/Ergänzung der Fahrzeug­pa­piere erforder­lich!“
So ist zum Beispiel für einen VW Pas­sat 3 C (103 KW, 2,0 TDI) mit laut Zulas­sungspa­pieren frei gegeben­er Reifendi­men­sion 205/55 R 16 94 H und max­i­maler Achslast von 1.160 kg die Reifendi­men­sion 205/55 R 16 mit einem Tragfähigkeitsin­dex 89, 90 oder 91 genau so zuläs­sig wie die von Fahrzeugher­steller frei gegebene – ohne Ein­trag in die Fahrzeug­pa­piere.

Wer die zusät­zlichen Möglichkeit­en aus­loten will (zum Beispiel weil der Wun­schreifen kurzfristig nicht ver­füg­bar ist), sollte das bess­er dem Reifen­fach­mann über­lassen. Oder sich im Zweifel nur an die Rad-/Reifenkom­bi­na­tio­nen hal­ten, die expliz­it die Freiga­be des Fahrzeug­fab­rikan­ten haben. Drech­sler: „Selb­st da gibt es ja noch Auswahl genug – Reifen ver­schieden­er Her­steller und meist sog­ar noch pro Her­steller in zahlre­ichen Mod­ell- und Pro­fil­vari­anten!“ Auch dafür hat natür­lich der spezial­isierte Reifen­fach­han­del – schnell zu find­en über die Fach­händler-Such­funk­tion auf der BRV-Ver­braucher­plat­tform www.reifen-kompetenz.de – die entsprechende Beratungskom­pe­tenz.