Zur Jahreswende gibt der BRV (Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V.) einen Blick auf die gesamtwirtschaftliche und branchenspezifische Lage.
2010 dürfte das Wirtschaftswachstum in Deutschland ca. 3,5 bis 3,7 Prozent betragen. Die deutsche Wirtschaft hat sich damit beeindruckend schnell von der Krise erholt. Für 2011 rechnet die Mehrheit der Konjunkturforscher mit einem etwas weniger dynamischen, aber weiterhin robusten Wachstum von 2,0 bis 2,2 Prozent. Getragen wurde dieser Aufschwung zunächst im Wesentlichen von der Auslandsnachfrage- insbesondere aus den Schwellenländern wie China – zunehmend gewinnt aber auch die Binnennachfrage in Deutschland wieder an Bedeutung. Diese stützt sich auf zwei Standbeine: Der private Konsum erholt sich dank des robusten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt hat die Krise unter anderem wegen den Kurzarbeiterregelungen relativ gut überstanden. Die Arbeitslosigkeit hat jüngst die Drei-Millionen-Grenze unterschritten, weshalb die Verbraucher wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Das zweite Standbein der Binnennachfrage, die Investitionstätigkeit der Unternehmen, nimmt wieder zu. Mit dem Einsetzen der Krise wurden zahlreiche Investitionen gestoppt. Jetzt kommt es zu einem starken Nachholeffekt. Wenn die globale Konjunktur und damit die Auslandsnachfrage (diesbezüglich bestehen trotz allem gewisse Risiken) robust bleibt und sich der Arbeitsmarkt weiter erholen kann, bleiben die Aussichten für Deutschland auch im kommenden Jahr freundlich. Der private Konsum wird dann zunehmen und die Unternehmen werden im Zuge einer steigenden Kapazitätsauslastung Erweiterungsinvestitionen tätigen.
Bezogen auf den deutschen Automobilmarkt geht der VDA in diesem Jahr von 2,9 Millionen Neuzulassungen aus. Für das Jahr 2011 rechnet man mit einem Anstieg auf leicht 3,0 Millionen Fahrzeuge.
Der anhaltende wirtschaftliche Aufschwung dürfte dazu beitragen, dass die Umsätze im Autoservicebereich im Jahr 2011 das diesjährige Niveau leicht überschreiten. Auch im kommenden Jahr dürfte der größte Einflussfaktor auf die Servicenachfrage die sich bessernde Lage am Arbeitsmarkt sein. Die sinkende Arbeitslosenquote könnte unmittelbar zu einer leichten Steigerung der Fahrleistung der arbeitenden Bevölkerung führen. Wie auch schon in anderen Aufschwungphasen zu beobachten war, würde hieraus unmittelbar eine zunehmende Servicenachfrage resultieren. Mit der wirtschaftlichen Erholung könnte darüber hinaus auch die Anzahl der gewerblichen Fahrten zunehmen.
Dennoch ist für das kommende Jahr nur von einer leichten Zunahme der Umsätze im Servicebereich auszugehen. Bereits seit Jahren ist feststellbar, dass die Fahrzeugqualität zunimmt und damit das Ausmaß der anfallenden Servicearbeiten sinkt. Gleichzeitig steigt der Wettbewerbsdruck unter den Werkstätten weiter kontinuierlich an, was einen gewissen Druck auf die möglichen Umsätze erzeugt.
Auch im Jahr 2011 ist zu befürchten, dass sich dieser Prozess weiter fortsetzt. Insofern könnten beide Effekte – also die zunehmende Fahrzeugqualität und der anhaltende Wettbewerbsdruck – ein deutliches Ansteigen der Serviceumsätze möglicherweise verhindern. Aber wie heißt es so schön: "Der erfahrene Prophet wartet die Ereignisse ab."
Für den deutschen Reifenfachhandel war das Jahr 2010 ganz überwiegend von Erfolgen geprägt, wenngleich diese nicht nur der Eigeninitiative und dem Engagement unserer Branche zu verdanken waren, sondern auch den gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Rahmenbedingungen.
In der Spätfolge der Abwrackprämie des Jahres 2009 sowie anhaltenden winterlichen Straßenverhältnissen im Januar und Februar gelang unserer Branche ein exzellenter Jahresstart, der zu einem starken Abbau der M+S-Reifenbestände führte. Dieser Entwicklung folgte ein deutlich über dem Vorjahr liegendes Sommer- sowie ein rechtzeitig einsetzendes Winterreifengeschäft, das unser aller Erwartungen übertraf. Langanhaltende winterliche Witterungsverhältnisse gingen einher mit einer extrem starken Berichterstattung der Medien zur Bundesratsentscheidung für eine "situative Winterreifenverpflichtung".
Als Wermutstropfen des Geschäftsjahres 2010 kann man eigentlich nur die Warenbeschaffungsproblematik nennen, die viele von Ihnen Zeit, Kraft und Nerven gekostet hat. Wenngleich
– dieses Problem nicht von allen Händlern gleich stark empfunden wurde,
– die ERMC-Zahlen (Lieferungen Industrie an Handel) per Ende November ein um 12,1 Prozent höheres Auslieferungsvolumen an Winterreifen als zum Vergleichszeitraum des Vorjahres aussagen,
– der punktuell geäußerte Vorwurf, Händler hätten ihre Vororder nicht rechtzeitig und vom Volumen her nicht ausreichend genug platziert, nicht ganz von der Hand zu weisen ist, ist der BRV natürlich daran interessiert, daran mitzuwirken, dass es zu einer zukünftigen Problementschärfung kommt. Wir haben deshalb die Premiumhersteller zu einem Gespräch im März 2011 eingeladen, um – neben der vergangenheitsbezogenen Analyse – auch über Verbesserungsmöglichkeiten in der Zukunft zu sprechen.
Die außerordentlich hohe Nachfragespitze in den 48. bis 50. Kalenderwochen führte zu teilweise exorbitanten Preiserhöhungen einiger Großhändler, die nach unserer Einschätzung nicht mehr vertretbar waren und auch von den Medien sehr negativ kommentiert wurden. Einen guten Dienst haben diese Branchenteilnehmer unserer Branche nicht erwiesen. Moderate Preiserhöhungen hingegen trugen nicht nur zu einer Ertragsverbesserung des Reifenfachhandels bei, sondern erhöhten auch das Wertigkeitsbewusstsein für das Hightech-Produkt Reifen beim Verbraucher. Eine Entwicklung, die es nach Jahren rückläufiger Verkaufspreise, nunmehr zu fördern und zu stabilisieren gilt.
Obwohl erst im Februar 2011 mit gesicherten Marktdaten zu rechnen ist, kristallisiert sich derzeit folgende Einschätzung zur Gesamtmarktentwicklung des deutschen Reifenersatzgeschäfts (Handel an Verbraucher) für das Jahr 2010 heraus:
– Pkw-Reifen total
49,80 Mio. Stück +5,7% zum Jahr 2009
– Pkw-Sommer 23,9 Mio. Stück +4,8% zum Jahr 2009
– Pkw-Winter 25,9 Mio. Stück +6,6% zum Jahr 2009
– Llkw-Reifen total 3,43 Mio. Stück +10,0% zum Jahr 2009
– Lkw-Reifen total 3,0 Mio. Stück +21,0% zum Jahr 2009
Im Hinblick auf die Prognose des Jahres 2011 gehen wir in unserer 1. Einschätzung, unter der Voraussicht, dass sich die Konjunkturrisiken aus dem Ausland in Grenzen halten, von folgenden Entwicklungen aus:
– Pkw-Reifen total
50,3 Mio. Stück +1,0% zum Jahr 2009
– Pkw-Sommer 24,15 Mio. Stück +1,0% zum Jahr 2009
– Pkw-Winter 26,15 Mio. Stück +1,0% zum Jahr 2009
– Llkw-Reifen total 3,49 Mio. Stück +1,7% zum Jahr 2009
– Lkw-Reifen total 3,08 Mio. Stück +2,7% zum Jahr 2009
Erlauben Sie uns ferner noch folgende Hinweise, die unseres Erachtens branchenrelevant sind:
– Der Warenbeschaffungsprozess ist in den letzten Jahren komplizierter und aufwendiger geworden.
Wir müssen uns deshalb zukünftig gerade in diesem Bereich professioneller aufstellen, um immer anspruchsvoller werdende Kunden zufrieden zu stellen. Nach unserem Eindruck hat der Reifenfachhandel hier einen deutlichen Nachholbedarf.
Begrifflichkeiten wie zum Beispiel
– Warenwirtschaftssysteme, die Ihren Mitarbeitern per Mausklick alle Einkaufsmöglichkeiten darstellen,
– Bestellung per ad hoc-EDI,
– automatisierte Bestellsysteme wie VMI,
– rechtzeitige Abgabe der Vororder bei der Industrie mit einer Klausel, die marktgerechte Einkaufspreise garantiert,
– Nutzung von Reifenbörsen für den Einkauf, aber auch für den Verkauf von Überbeständen, müssen angesichts veränderter Industrieprozesse und Kundenbedürfnisse dringend Eingang in unseren unternehmerischen Alltag finden.
– Den guten Geschäftsverlauf des Jahres 2010 sowie die relativ optimistische Prognose für das Jahr 2011 sollte der Reifenfachhandel unbedingt nutzen, um Investitionen unter anderem in Personal und Maschinen zu tätigen und die Eigenkapitalquote zu verbessern.
– Damit einher geht auch unser Appell, Modernisierungsnotwendigkeiten in den Unternehmen zu erkennen. Ansonsten entsteht zwischen den innovativen Betriebstypen des Einzelhandels, die hart an einer Optimierung ihrer Vermarktungsqualität arbeiten, und dem "althergebrachten Reifenhandel" eine zu große Kluft in der Verbraucherwahrnehmung.
Um zu untermauern, wie wichtig dem BRV-Vorstand dieser Themenkomplex ist, werden wir die BRV-Mitgliederversammlung des Jahres 2011 unter das Motto "Zukunftssicherung und Modernisierung des Reifenfachhandels" stellen.
– Nach wie vor stellen für weite Teile des Reifenfachhandels unqualifizierte Vermarkter ein Problem dar. Dies ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass die Reifenbeschaffung, insbesondere über B2B-Portale, zwischenzeitlich einer hohen Anzahl von "Nebenerwerbsbetrieben" ermöglicht wird.
Wir werden dies, nachdem die Einführung einer Meisterpflicht im Reifenfachhandel an juristischen Hürden scheiterte, nicht mehr ändern können und damit rechnen müssen, dass der Aufruf, Qualitätsvermarkter in den Fokus der Belieferungen zu stellen, sowohl beim Großhandel als auch beim im Wiederverkäufergeschäft tätigen Einzelhandel, eher verhallt.
Um dennoch gegenüber dem Verbraucher ein Qualitätsunterscheidungsmerkmal kommunizieren zu können, halten wir es für dringend erforderlich, dass Sie die BRV-Kampagne "wdk-zertifizierte UHP-/Runflat-Montagebetriebe" mittragen und aktiv unterstützen.
– Besondere Beachtung verdient auch das Thema des Fachkräftemangels, das sich angesichts der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren noch zu verschärfen droht. Uns muss bewusst sein: Der Auszubildende von heute ist die Fachkraft von morgen. Nur mit einer deutlich steigenden Ausbildungsbereitschaft der Betriebe werden wir die Personalressourcen der Zukunft schaffen können.
Das Team der BRV wünscht Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute im neuen Jahr und freut sich darauf, Sie auch im kommenden Jahr bei der Wahrnehmung Ihrer unternehmerischen Tätigkeit verbandsseitig begleiten und unterstützen zu dürfen.