Nach dem unerwartet gut verlaufenen Geschäftsjahr 2009 konnte der deutsche Reifenfachhandel in 2010 nochmals ein deutliches Absatzwachstum verbuchen. In nahezu allen Produktsegmenten des Reifenersatzgeschäftes gab es zweistellige prozentuale Zuwächse.

„Mit einem um gut elf Prozent höheren Stückabsatz im Durchschnitt aller Produktgruppen übertraf das Ergebnis erneut unsere Erwartungen“, resümiert Peter Hülzer, geschäftsführender Vorsitzender des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV e.V., Bonn). „Die Auswertung der jetzt vorliegenden endgültigen Zahlen des Geschäftsjahres 2010 hat unsere erste positive Schätzung vom Januar bestätigt.“

Im Segment Pkw konnte der Handel mit einem Stückabsatz von 52,3 Millionen insgesamt rund zehn Prozent mehr Reifen an Verbraucher verkaufen als im Vorjahr. Dabei war der Zuwachs in der Produktgruppe Winterreifen leicht höher als bei Sommerreifen.  Anhaltendes Winterwetter zu Jahresbeginn wie auch zum Jahresende, die lebhafte öffentliche Diskussion um die Winterreifenpflicht und die letztlich Anfang Dezember in Kraft getretene Novelle der einschlägigen Vorschrift in der Straßenverkehrsordnung beflügelten den Absatz an M+S-Reifen. Doch die Steigerung der Verkaufszahlen um knapp 12 Prozent zum Vorjahr ist nach Analyse des Verbandes nicht vorrangig das Ergebnis des ‚Winterreifenparagrafen‘. „Hier zeigt sich vielmehr ein ganz normaler Ersatzbedarf der in 2006 gekauften Pkw-Winterreifen“, erläutert BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler. Auch das Geschäft mit Sommerreifen für Autos lief mit knapp 25 Millionen Stückabsatz im vergangenen Jahr hervorragend für die Branche. Auffallend im Segment Pkw ist nach Analyse des Bundesfachverbandes der mit überdurchschnittlichen Zuwachsraten gestiegene Absatz an Hochleistungs- (abgekürzt auch UHP, Ultra High Performance-, + 15,7 Prozent) und Runflat-Reifen (+ 36,4 Prozent), die mittlerweile fast ein Viertel des Gesamtmarktes im Pkw-Reifenersatzgeschäft ausmachen – Tendenz weiter steigend. Deutlich überdurchschnittlich war die Absatzsteigerung mit rund 29 Prozent auch im Segment Off-Road-Reifen. Gut 2,5 Millionen wurden verkauft, davon waren knapp 55 Prozent Sommer-, der Rest Winterreifen. Grund für den Zuwachs ist der weiter gestiegene Bestand an vierradgetriebenen Off-Road-Fahrzeugen, die sich bei den Autofahrern wachsender Beliebtheit erfreuen; auch das mit weiter steigender Tendenz.

Im Nutzfahrzeugbereich – also den Segmenten Llkw-, Lkw-, AS- und EM-Reifen – wirkte sich der allgemeinwirtschaftliche Aufschwung, der die gewerblichen Fuhrparks wieder ins Rollen brachte, positiv auch auf das Reifenersatzgeschäft aus. Der Absatz an Leicht-Lkw-Reifen (Llkw) wuchs um knapp sieben Prozent auf 3,55 Millionen, im Geschäft mit Lkw-Reifen konnte der Handel mit gut drei Millionen Stück knapp 23 Prozent mehr verkaufen als im Vorjahr. Das Verhältnis zwischen neuen und runderneuerten Reifen lag in dieser Produktgruppe bei 63:37 Prozent, das Absatzplus im Vergleich zum Vorjahr war bei beiden etwa gleich. Auch in der Bau- und Landwirtschaft ist der konjunkturelle Aufschwung angekommen. Das spiegelt sich in der deutlich positiven Entwicklung in den Nischensegmenten der Reifen für Erdbewegungsmaschinen (EM) und Ackerschlepper (AS-Triebrad) wider. Nach deutlich zweistelligen Absatzrückgängen in 2009 zog das Reifenersatzgeschäft hier wieder stark an: Der Absatz an EM-Reifen stieg um 33 Prozent auf 37.500 Stück, rund 78.500 verkaufte AS-Triebrad-Reifen entsprachen einem Plus von zehn Prozent.

Im Segment Motorradreifen entspricht das endgültige Ergebnis der ersten Schätzung des Verbandes: Von Januar bis Dezember 2010 konnte der Reifenfachhandel mit 1,3 Millionen Stückabsatz hier rund 15 Prozent Plus verbuchen.

„Für deutsche Reifenhändler ist das Jahr 2010 damit hervorragend gelaufen, zumal er mit rund 45 Prozent Marktanteil seine Führungsposition unter den Wettbewerbern im Reifenersatzgeschäft behaupten konnte“, resümiert BRV-Chef Hülzer. Trotz unvermindert harten Wettbewerbs haben sich die Distributionsanteile von Reifenhandel, freien und markengebundenen Kfz-Werkstätten, Fachmärkten, Internet-Anbietern und Sonstigen im Vergleich zum Vorjahr nicht signifikant geändert.

Das Jahr 2011 wird der Prognose zufolge nach den satten Zuwachsraten des vergangenen Jahres von einer Rückkehr zur Normalität geprägt sein. „Die Wirtschaftskrise ist überwunden – schneller, als wir zu hoffen wagten. Doch damit sind auch die Zeiten der Sondereffekte vorbei, und der Reifenfachhandel darf nicht vergessen, dass er wie schon vor der Krise auf einem weitgehend gesättigten Markt agiert.“, sagt BRV-Geschäftsführer Drechsler. In seiner Prognose bleibt der Verband daher eher vorsichtig und rechnet mit folgenden Zuwachspotenzialen für das laufende Geschäftsjahr:

Pkw-Reifen +/- 0,0 Prozent
Off-Road-Reifen + 16,6 Prozent
Llkw-Reifen + 0,5 Prozent
Lkw-Reifen + 4,3 Prozent
Motorradreifen + 0,8 Prozent
AS-Triebradreifen + 1,0
Prozent EM-Reifen + 2,9 Prozent.

„Diese Prognose ist von unserer positiven Grundstimmung geprägt; wir sind uns allerdings bewusst, dass sie derzeit auf einer eher unsicheren Basis fußt“, schränkt Drechsler ein und spielt damit auf die zwar sicher zu erwartende, jedoch keinesfalls sicher kalkulierbare Preisentwicklung im laufenden Jahr an. „Wir rechnen neben den industrieseits schon realisierten und angekündigten mit weiteren Preiserhöhungen für Reifen im Laufe des Jahres.“ Die Ursache liegt in der nahezu explodierenden Rohstoffpreisentwicklung, insbesondere bei Erdöl und Kautschuk, und die Lage wird sich angesichts der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen z.B. in Nordafrika nicht verbessern. Im Gegenteil: Es steht zu befürchten, dass sich daraus sogar Rohstoffverfügbarkeitsprobleme ergeben könnten, was die zur Zeit ohnehin anspannte Warenverfügbarkeit bei Reifen noch verschärfen könnte. Doch das könnte für den Reifenfachhandel auch seine guten Seiten haben: „Schon die letzten beiden Wintersaisons haben gezeigt, dass ein grundlegender Marktmechanismus immer noch funktioniert“, erläutert der Verbandsvorsitzende Peter Hülzer. „Wenn das Angebot bei vorhandener Nachfrage knapper wird, kommen die Anbieter endlich zur Besinnung, dass gute Produkte sich auch zu auskömmlichen Preisen verkaufen lassen. Ein Ende der Zeiten schier endloser Warenverfügbarkeit erfordert zwar ein grundlegendes Umdenken hinsichtlich Einkauf, Logistik und Lagerhaltung, bedeutet aber für die Branche zugleich die Chance zum Ausstieg aus der seit Jahren abwärts gerichteten Preisspirale.“ Und das hieße letztlich, dass sich die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse im Reifenfachhandel trotz möglicherweise rückläufiger Stückabsätze verbessern ließen.