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Sommerreifentest weckt Zweifel an EU-Label

EU-Reifen-Label Über­raschende Erken­nt­nis: Die von der Europäis­chen Union (EU) ab 2012 vorge­se­hene Kennze­ich­nungspflicht für Autor­eifen kann in punc­to Verkehrssicher­heit bei weit­em nicht alle in sie geset­zten Erwartun­gen erfüllen. Zu diesem Schluss kom­men die GTÜ Gesellschaft für Tech­nis­che Überwachung und der ACE Auto Club Europa nach einem Test von 12 han­del­süblichen Som­mer­reifen.

Erst­mals wur­den dabei die Gebrauch­skri­te­rien des EU-Labels berück­sichtigt. GTÜ und ACE bew­erteten das europäis­che Zer­ti­fikat als unzure­ichend. Es beschränke sich lediglich auf Roll­wider­stand, Nässe­haf­tung und Abroll­geräusch. Wichtige sicher­heit­srel­e­vante Reifeneigen­schaften wie Aqua­plan­ing blieben jedoch unberück­sichtigt.

Der Reifen­markt hält eine Über­raschung bere­it. Die Europäis­che Union beschert den End­ver­brauch­ern ab 2012 ein neues Label. Ähn­lich wie bei Kühlschränken oder Waschmaschi­nen sollen diese Aufk­le­ber Auskun­ft über Energieef­fizienz und Umweltverträglichkeit der Pneus geben. Der Käufer wird über Abroll­geräusch, Nässe­haf­tung und Roll­wider­stand informiert.

GTÜ und ACE testeten erst­mals unter dieser Voraus­set­zung Som­mer­reifen der gängi­gen Größe 205/55 R 16 und nah­men die Ein­stu­fung nach dem neuen Label schon mal vor­weg (siehe Ergeb­nista­belle).

Als klar­er Test­sieger ging der Con­ti­nen­tal Pre­mi­um Con­tact 2 durchs Ziel, ein aus­ge­wo­gen­er Reifen mit Best­note auf nass­er Fahrbahn und rel­a­tiv geringem Ver­schleiß. Das Prädikat „sehr empfehlenswert“ ver­gaben die GTÜ-Tester an die Reifen Bridge­stone Turan­za ER 300, Miche­lin Pri­ma­cy HP, Dun­lop SP Fas­tre­sponse und Uniroy­al Rain Expert. Nur wenig nach ste­hen diesen Pneus mit der Note „empfehlenswert“ die Mod­elle Goodyear Opti­grip, Ful­da Carat Pro­gres­so und Vre­destein Sportrac 3. Die Bil­li­greifen im Test waren ihr Geld nicht wert und zudem gar gefährlich. So lan­de­ten „Bil­ligheimer“ aus Fer­nost wie Wan­li und Debi­ca wegen sicher­heit­srel­e­van­ter Schwächen im Bere­ich „nicht empfehlenswert“.

Bei der neuen Label-Kennze­ich­nung durch die Reifenin­dus­trie wer­den sieben „Noten“ vergeben: von „A“ für die beste bis „G“ für die schlecht­este Leis­tung in jed­er Diszi­plin. Bei der Mes­sung des Roll­wider­standes erweist sich die EU-Ein­stu­fung jedoch als wenig Ziel führend. Wer würde noch eine Waschmas­chine kaufen, die im Energie­ver­brauch mit „E“ gekennze­ich­net ist? Beim aktuellen Som­mer­reifen­test 2010 bleibt dem Kun­den aber kaum etwas anderes übrig, denn im GTÜ-Test kon­nte nur die Kennze­ich­nung „E“ als beste Ein­stu­fung vergeben wer­den.

Im Nass­griff sieht es dage­gen etwas bess­er aus. Zumin­d­est ein „A“ ist beim Test­sieger Con­ti­nen­tal Pre­mi­um Con­tact 2 zu find­en. Erschreck­end hinge­gen das Bil­lig­pro­dukt aus Chi­na, der Wan­li mit der schlecht­en Note „E“. Dort wo die besten Pneus nach ein­er Voll­brem­sung aus 100 km/h zum Ste­hen kom­men, rauscht das Bil­lig­pro­dukt mit mehr als 50 km/h vor­bei. Ein Auf­fahrun­fall mit schw­er­sten Ver­let­zun­gen für die Insassen wäre die Folge.

Wenig hil­fre­ich zeigt sich das Label auch beim Abroll­geräusch. Leis­es­ter Reifen im Test ist zwar der Cham­piro von GT Radi­al; der gehört jedoch zu den unsich­er­sten bei Nässe. Über das wichtige Kapi­tel Aqua­plan­ing geht das EU-Label­ing galant hin­weg. Der Unter­schied zwis­chen dem Bil­li­greifen Wan­li, der schon bei 65,9 km/h zum Schwim­mer wird und dem Goodyear, der noch mit 86,8 km/h die Spur hält, ist von großer Sicher­heit­srel­e­vanz.

Faz­it: Das neue Reifen­la­bel beschreibt die Gebrauch­seigen­schaften von Reifen nur ungenü­gend. Wichtige Kri­te­rien in punc­to Sicher­heit fehlen völ­lig. Eine gezielte Kaufentschei­dung ist danach kaum möglich. Genaue Infor­ma­tio­nen für den Käufer bieten nur aus­führliche Reifen­tests, wie sie von GTÜ und ACE gemein­sam durchge­führt wer­den. Bei­de Organ­i­sa­tio­nen wollen sich dafür stark machen, dass das EU-Label opti­miert wird.

So hat die GTÜ getestet
Um im Test einen Spitzen­platz zu erhal­ten, kommt es darauf an, in möglichst allen Diszi­plinen gute Werte zu zeigen und in kein­er einzi­gen schlecht abzuschnei­den. Für den Brem­sweg wird die Verzögerung von 80 auf 20 km/h gemessen. Auswer­tung für das Label­ing erfol­gt nach UN ECE R 117 und Erweiterung. Im Nasshan­dling führen Fahrzeit und die sub­jek­tive Bew­er­tung des Fahrver­hal­tens zum Ergeb­nis. Aqua­plan­ing ist jene Geschwindigkeit, bei welch­er der Reifen im Wasser­beck­en den Bodenkon­takt ver­liert. Im Quer­aqua­plan­ing ist der Abschnitt ein­er Kreis­bahn bewässert, das Tem­po steigt in Stufen von 5 km/h, bis der Reifen den Bodenkon­takt ver­liert. Die Brem­swegmes­sung auf trock­en­em Asphalt erfol­gt aus 100 km/h. Ana­log zum Fahrver­hal­ten bei Nässe erfol­gt die Bew­er­tung im Trock­en­han­dling. Das Außengeräusch wird auf ein­er Strecke mit Nor­mas­phalt bei 80 km/h in dB(A) gemessen. Die Roll­wider­standsmes­sung erfol­gte auf einem Rol­len­prüf­s­tand nach ISO R 117.