tuev-suedDie Preise für Winterreifen steigen wie zuletzt auch die für Sommerreifen stark an – Hintergrund sind weiter hohe Preise für Naturkautschuk. Die immense Nachfrage der Reifenhersteller insbesondere aus Fernost verstärkt den Trend zusätzlich.

Vor diesem Hintergrund empfehlen die TÜV SÜD-Experten, sich schon jetzt die neuen Winterreifen zu kaufen, und weisen in diesem Zusammenhang auf die Winterreifenpflicht hin. TÜV SÜD gibt zudem Tipps, wie man beim Reifenkauf steigenden Mobilitätskosten entgegenwirken kann.

Hauptgründe für den Preisanstieg beim Reifenrohstoff Naturkautschuk: Überschwemmungen in den Herstellerländern wie Malaysia oder Indonesien im vergangenen Jahr und die stark anwachsende Nachfrage vor allem in China und Indien. Diese Länder benötigen bereits ein Drittel des Weltkautschuk-Aufkommens. Bereits zu Beginn des Jahres hatte sich der Trend aus dem Vorjahr fortgesetzt mit Preissteigerungen von über 50 Prozent; das vermeldet der Bundesverband des Reifenhandels (BRV). Hinzu kommen ständig steigende Preise für Rohöl – eine weitere wichtige Reifenkomponente. Für Autofahrer heißt das: “Wer früher kauft, spart Geld bei der Anschaffung. Wer darüber hinaus auf den Rollwiderstand selbst bei Winterpneus achtet, spart Sprit und schont die Umwelt”, so der Tipp von Michael Staude, Reifenexperte bei TÜV SÜD Automotive und Chairman bei der europäischen Kommission für den Abgleich der Rollwiderstandslabore.

Der Gummi macht den Unterschied: Winterreifen bedeuten in der kalten Jahreszeit ein unverzichtbares Sicherheitsplus. Der Grip von Sommerreifen lässt bei winterlichen Straßenbedingungen spürbar nach. Der Grund: Bereits bei Temperaturen knapp über 0 Grad können die Gummimischungen von Sommerreifen verhärten. Winterreifen haben in der Regel weichere Gummimischungen mit einem hohen Silica- oder Naturkautschuk-Anteil, die sich besser der Fahrbahnoberfläche anpassen. Und gerade auf Schnee und Schneematsch zeigen die Winterreifen ihre besondere Stärke. “Mit Sommerreifen kann sich der Bremsweg gerade auf schneeglatter Fahrbahn durchaus mehr als verdoppeln”, erläutert Michael Staude. “Ungeachtet dieser Vorteile gilt seit dem vergangenen Jahr auch in Deutschland die Winterreifenpflicht bei winterlichen Straßenverhältnissen”, so Staude.

Die Gewohnheiten entscheiden: Vor dem Kauf sollten Autofahrer sich darüber im Klaren sein, wie sie den Wagen im Winter nutzen. Fährt man beispielsweise jedes Wochenende in die Berge zum Skifahren, stehen die Eigenschaften für Eis und Schnee an vorderster Stelle. Ist man als Berufspendler viel auf Autobahnen unterwegs, dann sind Langlebigkeit und Nässeeigenschaften wichtiger. Hat man den Winterfahrtyp ermittelt, bieten die Ergebnisse der Winterreifentest 2011 einen guten Überblick.

Die Kennzeichnung zählt: Die älteste und gebräuchlichste Kennzeichnung für Wintereigenschaften ist M & S oder M+S. Beides steht für “Mud and snow”, Matsch und Schnee. Es gibt allerdings keine nennenswerten, verbindlichen Anforderungen an die Wintertauglichkeit für derart markierte Reifen. So werden beispielsweise in den USA auch nahezu reine Sommerreifen mit dem Aufdruck M&S verkauft. Bei so genannten Geländereifen und jenen für SUV hat sich dies auch in Europa eingebürgert. Solche Reifen haben nach Erkenntnissen von TÜV SÜD nur eine sehr eingeschränkte Wintertauglichkeit. Aus der Unzulänglichkeit der M&S-Kennzeichnung haben die Amerikaner gelernt und das Schneeflockensymbol eingeführt. Es zeigt eine Schneeflocke in einem stilisierten Bergmassiv und garantiert bestimmte Wintereigenschaften. Die Produkte renommierter europäischer Reifenhersteller übertreffen selbst diese Anforderungen deutlich und tragen das Zeichen deshalb mit Recht. “Die Schneeflocke auf Markenreifen ist eine gute Richtschnur beim Kauf”, sagt Staude.

Ganzjahresreifen? Die Idee ist verlockend – ein Reifen für das ganze Jahr. Ein solches Modell ist aber zwangsläufig nur ein Kompromiss. Nach Ansicht von TÜV SÜD ist es allenfalls für Flachlandverkehr und für schneeärmere Regionen ohne bedeutende Steigungen geeignet. Auch wirtschaftlich sind Ganzjahresmodelle nicht die beste Wahl, da sie oftmals schneller verschleißen und einen höheren Rollwiderstand haben als eine der Saison angepasste Wechselbereifung. Ganzjahresreifen sind aber mit M&S markiert und erfüllen rein rechtlich die derzeitigen Anforderungen an eine “geeignete Bereifung”.

Mit Sommerreifen ins Abseits schlittern: An Stammtischen und in Internetforen wird mitunter die Meinung vertreten, bei bestimmten winterlichen Straßenzuständen seien Sommerreifen die bessere Wahl. Besonders oft wird dann Eis genannt. “Das ist gefährlicher Unsinn”, stellt Staude klar. “Auch die Bremswege auf Eis sind mit Sommerreifen gegenüber guten Winterreifen deutlich länger, bei schneebedeckter Fahrbahn sowieso. Zudem ist das Fahrverhalten kritischer und wenig vorhersehbar.”

An die Umwelt denken: CO2-Einsparung – bei Winterreifen kein Thema? Steht guter Grip auf Eis und Schnee dem Energiesparen von Natur aus entgegen? “Nein”, sagt Staude. “Seit Jahren achten die Hersteller auch bei der Entwicklung von Winterreifen auf gute Fahreigenschaften und geringen Rollwiderstand.”

Das zeigen auch die Testergebnisse: In Sachen Rollwiderstand müssen Winterpneus den Vergleichstest mit den Sommerkollegen nicht scheuen. Damit diese Eigenschaften weiter verbessert werden, gelten ab November 2012 stufenweise straffere Grenzwerte für die Reifenproduktion. Dazu wird es ein Siegel geben, das die Eigenschaften auf einen Blick deutlich macht. Die Parameter: Nässe-Grip, Verbrauch und Rollwiderstand sowie Geräuschentwicklung. “Den Verkäufer also auch auf die Umweltverträglichkeit ansprechen”, so Staude. Die Energieeffizienz hat keine Auswirkung auf die Sicherheit: “Die Produkte der bekannten großen Reifenhersteller stellen durchweg einen guten Kompromiss zwischen Kriterien wie Schnee-Grip, Lebensdauer, Nässe- und Trockeneigenschaften, aber eben auch Rollwiderstand dar”, so der TÜV SÜD-Experte.

Keine Sorge um höheren Verbrauch: Ein hartnäckiges Vorurteil gegenüber Winterreifen ist der angeblich höhere Sprit-Verbrauch. “Das Auto verbraucht im Winter wegen der Kälte mehr, nicht wegen der Reifen”, sagt Staude dazu. Generell ist bei Markenreifen so gut wie kein Unterschied mehr beim Rollwiderstand vorhanden. Inzwischen gibt es sogar speziell auf niedrigen Verbrauch optimierte Winterreifen. Aufschriften wie “Green X”, “ECO” oder “Saves Fuel” deuten dies an.

Auf die Größe achten: Fans großer und breiter Räder können auch im Winter auf breiten Schlappen fahren. Das Sortiment der Hersteller lässt das zu. Staude empfiehlt jedoch Maßhalten. Eine etwas kleinere Dimension ist im Winter in aller Regel die bessere Wahl. Wer sein Auto notfalls mit Schneeketten fahren will, muss ohnehin auf die ganz großen Gummis verzichten – sonst kann die Kette im Radkasten anschlagen. Hinweise dazu stehen meist in der Betriebsanleitung des Wagens.

Auf Profil setzen: Auch wenn die gesetzliche Mindesttiefe des Profils genauso wie bei Sommerreifen bei 1,6 Millimetern liegt: Nach Ansicht von Experten wie Reifenherstellern, sollte die Profiltiefe bei Winterreifen vier Millimeter nicht unterschreiten. Das liegt nicht zuletzt an der Bauweise von Winterreifen, bei der – noch stärker als bei Sommerreifen – für Lauffläche und Unterbau andere Gummimischungen verwendet werden. Bei der Vulkanisierung vermischen sich die unterschiedlichen Zusammensetzungen im Grenzbereich. Die Folge: Ist der Reifen stark abgefahren, kommt das Profil in diesen Grenzbereich der Durchmischung und hat nicht mehr die gewünschte Konsistenz und damit nicht mehr die gewünschten Eigenschaften. Die Performance verschlechtert sich zudem, weil Winterreifen hauptsächlich aus Lamellen bestehen. “Je kürzer die Lamellen werden, desto weniger flexibel sind sie – mit schlechten Auswirkungen auf den Grip”, erläutert der Reifenfachmann.

Wer in bestimmte Länder reist, muss im Winter ohnehin mehr Profil zeigen. Österreich verlangt vier, Schweden drei Millimeter.

Beim Tempo maßhalten: Längst vorbei sind die Zeiten, in denen mit Winterbereifung bei 160 Stundenkilometern Schluss war. Üblich sind heute Freigaben bis 190 oder 210 km/h. Es gibt sogar Winterreifen, die für 240 oder gar 270 Sachen zugelassen sind. Bei letzteren muss allerdings mit Einschränkungen bei den reinen Wintereigenschaften gerechnet werden. Wichtig: Liegt die Angabe zur Höchstgeschwindigkeit der Reifen unter der des Autos, muss ein Aufkleber im Cockpit darauf hinweisen – sonst droht ein Bußgeld.

Den Reifendruck erhöhen: Der Fülldruck hat großen Einfluss auf den Verbrauch. Schon wenige Zehntel Bar verminderter Druck erhöhen den Rollwiderstand um bis zu 20 Prozent – und verringern die Sicherheit immens. Jährlich verschenken die EU-Bürger mehr als zwei Milliarden Euro, weil sie zu wenig Luft in ihren Reifen haben! “0,2 bis 0,3 Bar über der Empfehlung des Fahrzeugherstellers schaden nicht”, so der Tipp von Staude. Geht man aber mit den Winterreifen an die Belastungsgrenze – zum Beispiel im Gebirge – dann lieber genau den vorgeschriebenen Luftdruck einhalten. Staude: “Dann entfaltet der Reifen seine besten Eigenschaften.”

Stressfrei wechseln: Wer nicht wochenlang auf die Winterreifen warten möchte und nicht auf lange Warteschlangen beim Reifenwechsel steht, sollte sich bereits jetzt um die passende Winterbesohlung kümmern, raten die TÜV SÜD-Experten. Das insbesondere vor dem genannten Hintergrund, dass für die bevorstehende kalte Jahreszeit mit Engpässen bei der Versorgung mit Winterreifen und damit einhergehend mit Preiserhöhungen gerechnet werden muss.