Kein Gegenverkehr. Der Autofahrer will das langsamere Fahrzeug vor ihm überholen. Die Sicht ist frei. Der Autofahrer gibt Gas. Doch plötzlich ändert sich die Situation dramatisch: Ein Fahrzeug kommt aus einer bis dahin nicht einsehbaren Kurve entgegen.
Dennoch setzt er zum Überholvorgang an, weil er denkt: „Den schaffe ich noch!“ Eine riskante Entscheidung, die tödliche Folgen haben kann. Ein Großteil (86 Prozent) aller im Jahr 2008 erfassten Ursachen bei Unfällen mit Personenschäden sind laut Statistischem Bundesamt auf das Fehlverhalten der Fahrzeugführer zurückzuführen. Fehleinschätzungen haben gerade bei Überholmanövern fatale Folgen. Um solche Unfälle künftig zu verhindern, hat der internationale Automobilzulieferer Continental gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt im Rahmen des Forschungsprojekts PRORETA ein Fahrerassistenzsystem entwickelt, das dem Fahrzeugführer beim Überholvorgang assistieren und gefährliche Situationen bereits im Ansatz vermeiden kann.
„Stellt das System beim Ausscheren fest, dass es zu einer Gefährdung des entgegenkommenden oder des zu überholenden Fahrzeugs kommen könnte, warnt es den Fahrer mit gestuft zunehmender Intensität, um ihn zum Abbruch des Überholmanövers zu bewegen“, erklärt Prof. Dr. Rolf Isermann vom Institut für Automatisierungstechnik. Das System funktioniert per Video- und Radarsensorik. Die ermittelt permanent anhand der Sensor- und Fahrdynamikdaten die Position des eigenen, des vorausfahrenden und des eventuell entgegenkommenden Fahrzeugs und stellt fest, ob der Weg für ein sicheres Überholmanöver ausreicht. Bemerkt der Assistent, dass die Situation entweder für das Fahrzeug oder den entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer gefährlich werden könnte, wird der Fahrer gewarnt – mit einer optischen Anzeige im Display sowie durch eine akustische Sprachwarnung und ein vibrierendes Gaspedal. Zeigen diese Warnungen keine Wirkung, greift das System ein, indem es aktiv die Bremsanlage ansteuert und das Auto so abbremst, dass der Fahrer hinter dem voranfahrenden Fahrzeug einscheren kann. Der Fahrer muss keine Sorge haben, dass die Technik ihn steuert: Er kann das Assistenzsystem jederzeit überstimmen und bleibt Chef im Fahrzeug. Solch ein Fahrerassistenzsystem kann Leben retten, das beweist die Statistik: 2008 starben auf Deutschlands Straßen 143 Menschen, weil ein Verkehrsteilnehmer trotz Gegenverkehrs überholt hatte. Weitere 48 Tote gab es, weil der Überholende zu wenig Seitenabstand gelassen hatte.