Eigentlich ist es unverständlich, wenn sich Conti-Chef Manfred Wennemer darüber echauffiert, dass es jemand wagt, das Dax-Unternehmen Continental AG übernehmen zu wollen. Warum soll ein von Wennemer selbst gern praktiziertes Verfahren, Unternehmen einzukaufen, auf einmal unanständig sein, nur weil es ein anderer macht und es gegen die Interessen von Herrn Wennemer geht?

Hat sich Wennemer zum Beispiel bei der Übernahme des Hamburger Kautschukunternehmens Phoenix vor vier Jahren durch die Continental AG um die Unabhängigkeit des übernommenen Unternehmens gesorgt, wie er das jetzt für die Conti AG tut und sagt: „Wir werden die Unabhängigkeit des Unternehmens verteidigen und dafür kämpfen.“ Nein, er hat sein Ding ebenso zielorientiert durchgezogen, ohne auf die Gefühle der Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen.
Bei Firmenübernahmen mit zweierlei Maß zu messen, ist nicht in Ordnung. Da hilft es auch nicht, darauf hinzuweisen, die Schaeffler Gruppe habe sich quasi angeschlichen und mit ihren nicht öffentlich gemachten Aktienkäufen unfair gespielt. Wennemer, der sonst so emotionslose Stratege, ist von der Rolle. Alle seine Auftritte nach offiziellem Beginn dieser Übernahmeschlacht waren von Fahrigkeit geprägt, von emotional vorgetragener Entrüstung, ja sogar von Polemik und schlechtem Stil.
Einige im Conti-Management sind überrascht davon, „dass es Wennemer kalt erwischen konnte“. Sie hatten eher den Eindruck, der Boss habe alles im Griff. Sogar kaufinteressierte Unternehmen und die Medien. Eine gewisse Selbstgefälligkeit dürfte also bei Wennemers vorgetragener Entrüstung eine große Rolle spielen. Im Umgang mit der Öffentlichkeit und ganz besonders der Medienvertreter wirkte Wennemer ziemlich überheblich. Eine Wahrnehmung, so unterstellen ihm Insider, die der Conti-Chef nur zu gern verstärkt hat. Er habe immer durchblicken lassen, „die Weisheit der Unternehmensführung und -strategie allein gepachtet zu haben“.
Kritische Führungskräfte bei Conti interpretieren Wennemers emotionale Ausbrüche so: „Wennemer ist erfolgsverwöhnt. Dass es jetzt so dick kommt, hätte er nicht für möglich gehalten.“ Deutlich wird in dieser Kritik auch, dass der Chef keine rechte Strategie zu haben scheint, einen solchen Angriff abzuwehren. „Er hat so was einfach nicht für möglich gehalten“, sagt ein Insider aus Hannover. „Für kluge Gegenmaßnahmen ist es jetzt zu spät.“
Möglicherweise wird die von Wennemer angerufene Bankenaufsicht (Bafin) das Vorgehen Schaefflers in Sachen Aktienkauf kritisieren. Zu verhindern ist die Übernahme der Aktienmehrheit dadurch sicher nicht. IGBCE-Gewerkschaftschef Hubertus Schmoldt trifft wohl den Nagel auf den Kopf, wenn er es so ausdrückt: Wennemer habe damit rechnen müssen, „dass andere auch Monopoly spielen“.
Vor allem das Wort „auch“ muss Manfred Wennemer als Hinweis darauf verstehen, dass er ja selbst im Monopoly der deutschen Industrie immer stolz darauf war, gewissermaßen die Schlossallee zu besitzen und die armen Industrie- Würstchen aufkaufen zu können. Bei Verlagerungen von Produktion in Billigländer war er ja auch nicht zimperlich. Dass mit einer Übernahme durch Schaeffler alles schlechter werden würde, wie Wennemer suggeriert, davon kann keine Rede sein. Dass das Familienunternehmen an langfristigen Erfolgen interessiert ist und nicht am Ausschlachten einer goldenen Gans, hat es bereits bewiesen. Wahrscheinlich werden die Conti-Mitarbeiter bereits binnen Jahresfrist wissen, dass sich alles zum Guten gewendet hat.

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport)