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Wirtschafts- und Finanzkrise drückt erwartete Karrierechancen in den Keller

logo-continental — Hochschu­la­b­sol­ven­ten beurteilen ihre Beruf­saus­sicht­en deut­lich neg­a­tiv­er
- Mobil­itäts­bere­itschaft für Aus­lands-Job ist weit­er stark gesunken
- Stu­den­ten set­zen in Krisen­zeit auf Sicher­heit, Loy­al­ität und geregelte Arbeit­szeit

Die Fol­gen der Wirtschafts- und Finanzkrise haben bei den deutschen Stu­dentin­nen und Stu­den­ten Wirkung gezeigt: Die Erwartun­gen hin­sichtlich der eige­nen Kar­ri­erechan­cen sind in den Keller gesackt. Während zu Beginn der Krise Anfang 2009 noch jed­er Vierte “sehr zuver­sichtlich” in Sachen Kar­ri­ereaus­sicht­en war, ist es jet­zt nur noch gut jed­er Siebte. Gle­ichzeit­ig steigt derzeit das Bedürf­nis nach Job-Sicher­heit, län­ger­er Beschäf­ti­gungs­dauer beim Arbeit­ge­ber, mehr Loy­al­ität im Beschäf­ti­gungsver­hält­nis und geregel­ten Arbeit­szeit­en.

Das sind einige Ergeb­nisse der repräsen­ta­tiv­en 7. “Con­ti­nen­tal-Stu­den­tenum­frage” unter ange­hen­den Inge­nieurin­nen und Inge­nieuren sowie Natur- und Wirtschaftswis­senschaft­lerin­nen und wis­senschaftlern, die der inter­na­tionale Auto­mo­bilzulief­er­er am Mittwoch pub­liziert hat. TNS/Infratest hat­te im Auf­trag des Unternehmens rund 1.000 Stu­den­ten nach ihren Ansicht­en zu Kar­riere, Arbeitswelt und Hochschulthe­men befragt. Weit­ere The­men­schw­er­punk­te waren in diesem Jahr Beruf­squal­i­fika­tion sowie die Hochschul­re­for­men und deren Umset­zung in Deutsch­land.

“Nach einem wirtschaftlich bewe­gen­den, sozusagen stür­mis­chen Jahr mit heftigem See­gang wün­schen sich die Hochschu­la­b­sol­ventin­nen und absol­ven­ten offenkundig mehr Sicher­heit, Sta­bil­ität und Berechen­barkeit der eige­nen Zukun­ft: Sie suchen nach einem Anker in Form von Loy­al­ität vom und zum Arbeit­ge­ber und haben den Heimath­afen, also den Stan­dort Deutsch­land, fest im Blick”, bew­ertete Con­ti­nen­tal-Per­son­alvor­stand Heinz-Ger­hard Wente die Ergeb­nisse. “Lange Beschäf­ti­gungs­dauer und Loy­al­ität schätzt die Con­ti­nen­tal sehr, und das Ver­trauen in den Wirtschafts­stan­dort Deutsch­land teilen wir mit den Befragten.

Allerd­ings soll­ten die Stu­dentin­nen und Stu­den­ten die Aspek­te Mobil­ität und Inter­na­tion­al­ität im inter­na­tionalen Wet­tbe­werb nicht unter­schätzen bzw. aus den Augen ver­lieren. Auch die Zukun­ft des Wirtschafts- und Wis­sens­stan­dorts Deutsch­land ist durch den glob­alen Markt zu sich­ern, und das bedeutet im Umkehrschluss, Flex­i­bil­ität, auch dort zu arbeit­en, wo das Wach­s­tum stat­tfind­et — beispiel­sweise in Asien.”

Grund­sät­zlich bleiben die Hochschu­la­b­sol­ven­ten trotz Krise in ihrer Mehrheit opti­mistisch was die eigene Kar­riere ange­ht: 2010 bew­erten immer­hin noch 65 Prozent ihre Aus­sicht­en als “sehr gut” bzw. “gut”. Das sind aber den­noch 9 Prozent­punk­te weniger als 2009 (74 Prozent) und damit der niedrig­ste Wert seit Beginn der Befra­gung im Jahr 2004. Über­wiegend pos­i­tiv gese­hen wird nach wie vor die inter­na­tionale Wet­tbe­werb­s­fähigkeit Deutsch­lands, die in diesem Jahr von unverän­dert rund 70 Prozent als “sehr gut” oder “gut” eingeschätzt wird. Auch die eigene Qual­i­fika­tion bzw. die Qual­ität des eige­nen Wis­sens bew­erten unverän­dert rund 2/3 der Befragten mit “sehr gut” oder “gut”.

Dr. Hans Georg Helm­städter, Präsi­dent der Fach­hochschule Bran­den­burg, ergänzte: “Laut dem Insti­tut der deutschen Wirtschaft Köln über­traf selb­st auf dem Höhep­unkt der Kon­junk­turkrise die Zahl der offe­nen Stellen für MINT-Akademik­er im Juni 2009 diejeni­gen der Stel­len­suchen­den um 61.000. Da in den kom­menden Jahren viele Inge­nieure und Infor­matik­er in den Ruh­e­s­tand gehen, müssen bis 2014 jährlich 49.000 Beruf­se­in­steiger nachrück­en. Der in den Gesamtergeb­nis­sen der Con­ti­nen­tal-Stu­den­tenum­frage ver­mit­telte Pes­simis­mus in den Erwartun­gen der Studieren­den trifft nicht die aktuelle tat­säch­liche Lage der Beruf­saus­sicht­en von Hochschu­la­b­sol­ven­ten. Dies gilt ins­beson­dere für die Fachrich­tun­gen der soge­nan­nten MINT-Fäch­er: Math­e­matik, Infor­matik, Natur­wis­senschaften und Tech­nik.”

Trotz des pos­i­tiv­en Grundtenors in Umfrage und MINT-Jobange­boten steigt in der Krise das Bedürf­nis nach Sicher­heit: Im Boom-Jahr 2005 geben 25,6 Prozent an, dass sie an ein­er “unbe­fris­teten, möglichst lebenslan­gen Anstel­lung” und einem “hohe[n] Maß an Loy­al­ität” inter­essiert sind. 2010 sind es mit 49,7 Prozent nahezu dop­pelt so viele Befragte, die ein solch­es Beschäf­ti­gungsver­hält­nis bevorzu­gen wür­den.

Dementsprechend sinkt der Anteil der­er, die sich für ihre Zukun­ft “eine Abfolge zeitlich befris­teter, dafür gut bezahlter und inter­es­san­ter Jobs bei unter­schiedlichen Unternehmen mit Zweck­bünd­nis-Charak­ter” wün­schen von 68,5 Prozent im Jahr 2005 auf heute 45,8 Prozent.

“Ich bin zwar wed­er Wirtschafts- noch Bil­dung­sex­per­tin, aber die Arbeits­mark­ten­twick­lung, speziell nach dem Studi­um, hin­ter­lässt bei mir den Ein­druck, dass Berufe mit staatlich­er Absicherung für viele Stu­den­ten plöt­zlich wieder einen höheren Stel­len­wert bekom­men haben. Die Umfrageergeb­nisse lassen somit den Schluss zu, dass eine Renais­sance des Beam­ten­tums plöt­zlich wieder zeit­gemäß wer­den kön­nte. Dazu müsste allerd­ings die Finanzier­barkeit geregelt wer­den”, kom­men­tierte Ari­ane Friedrich, Leis­tungss­port­lerin und Absol­ventin der Ver­wal­tungs­fachakademie Wies­baden, die Ergeb­nisse der Studie.

Ein ähn­lich­er Trend ist bei der Ein­schätzung der zukün­fti­gen Beschäf­ti­gungs­dauer zu sehen: Waren 2005 noch mehr als 90 Prozent davon überzeugt, dass die Beschäf­ti­gungs­dauer bei ein und dem­sel­ben Arbeit­ge­ber zehn Jahre nicht über­schre­it­en wird, so gehen aktuell sog­ar 17,4 Prozent der Befragten im Umkehrschluss davon aus, dass die durch­schnit­tliche Beschäf­ti­gungszeit bei über zehn Jahren liegen wird. Ein weit­eres Indiz für den Wun­sch nach mehr “Ver­lässlichkeit” sind die Arbeit­szeit­en: Während 2006 rund 48 Prozent der Befragten ein­er Wochenar­beit­szeit von frei vere­in­barten 40 Stun­den zus­timmten, wür­den heute nur noch 30,8 Prozent ein­er solchen Regelung zus­tim­men. Gle­ichzeit­ig hat in der Krise die tar­i­flich geregelte 40-Stunde-Woche Kon­junk­tur: Sie ist für 30 Prozent der Befragten Wun­schziel (2006: 17,2 Prozent).

Möglicher­weise auch als Folge der Krise sehen die ange­hen­den Inge­nieurin­nen und Inge­nieure, Natur- und Wirtschaftswis­senschaft­lerin­nen und wis­senschaftler ihren zukün­fti­gen Arbeit­splatz eher in Deutsch­land, denn die Bere­itschaft für einen Aus­land­sjob ist erneut gesunken, dies gilt ins­beson­dere für mögliche Ein­satzge­bi­ete in Osteu­ropa oder Asien. Mit dem höch­sten Ablehnungswert seit Beginn der Umfrage hal­ten es 64,3 Prozent (2004: 43,9 Prozent) für “eher unwahrschein­lich” bzw. kön­nen es sich “ganz bes­timmt nicht” vorstellen, eine Tätigkeit in Län­dern dieser Regio­nen anzunehmen.

Bei der geziel­ten Frage nach der Bere­itschaft, in osteu­ropäis­chen Län­dern zu arbeit­en, die wie zum Beispiel Rumänien seit 2007 EU-Mit­glieder sind, lehnen sog­ar 74 Prozent (2004: 64,1 Prozent) ab. Ähn­lich große Ablehnung erfahren die Wach­s­tum­slän­der Chi­na mit 64,6 Prozent (2006: 48,9 Prozent) und auch Südameri­ka ein­schließlich Brasilien mit 48,6 Prozent (2004: 37,7 Prozent). Sog­ar die Schweiz und USA ver­lieren kräftig an Zugkraft: Das Inter­esse am Arbeit­en in der Schweiz sinkt um 13,8 Prozent­punk­te auf 63,8 Prozent (2007: 77,6 Prozent) und am Arbeit­splatz in den USA um 7,8 Prozent­punk­te auf 47,6 Prozent (2004: 55,4 Prozent).

Sophie Steur­er, Mit­glied des Vor­stands AIESEC Deutsch­land, ergänzte allerd­ings: “Wir schätzen eine sink­ende Mobil­itäts­bere­itschaft ger­ade für die Wet­tbe­werb­s­fähigkeit des Stan­dorts Deutsch­land, aber auch in Hin­blick auf die Anforderun­gen ein­er zunehmend glob­al­isierten Welt an Arbeit­nehmer als höchst beden­klich ein. Wir ver­ste­hen glob­ale Mobil­ität als wichtige Kernkom­pe­tenz, die wir auch gezielt bei Stu­den­ten fördern möcht­en- gegen­läu­fig zu den Ergeb­nis­sen der Con­ti­nen­tal-Stu­den­tenum­frage beobacht­en wir bei AIESEC ger­ade in jüng­ster Zeit ein steigen­des Inter­esse an Aus­land­sprak­ti­ka, und ger­ade die Regio­nen Osteu­ropa und Asien sind gefragter als in der jün­geren Ver­gan­gen­heit.”

Ein weit­eres Kapi­tel der Umfrage beschäftigte sich mit dem The­ma Beruf­squal­i­fika­tion. Von den Befragten studieren 74,2 Prozent an ein­er Uni­ver­sität, 21,4 Prozent an ein­er Fach­hochschule und lediglich 4,4 Prozent absolvieren ein duales Studi­um. Den­noch ist nahezu jed­er Zweite (45,6 Prozent) davon überzeugt, dass ein duales Studi­um am besten für den Beruf qual­i­fiziert bzw. bessere Beruf­sper­spek­tiv­en eröffnet. Auf Nach­frage wer­den als Gründe für diese Auf­fas­sung die Prax­is­nähe (29,7 Prozent), die Kom­bi­na­tion von The­o­rie und Prax­is (20,9 Prozent) und eine frühe Bindung an das Unternehmen (18,2 Prozent) genan­nt. Haup­tar­gu­mente für ein uni­ver­sitäres Studi­um im Hin­blick auf die Beruf­sper­spek­tiv­en sind die “Befähi­gung, Wis­sen (in immer neuen Zusam­men­hän­gen) flex­i­bel einzuset­zen, ana­lytis­che Fähigkeit­en, wis­senschaftliche Arbeitsweise, sich schnell auf neue Anforderun­gen ein­stellen kön­nen” (25,2 Prozent) und “höch­ster Bil­dungs­stand, qual­i­ta­tiv höchstes/bestes Wis­sen” (22,3 Prozent).

Als Begrün­dung dafür, weshalb ein Fach­hochschul­studi­um im Hin­blick auf die Beruf­sper­spek­tiv­en zu präferieren ist, geben die Befragten “Prax­is­bezug, Prax­isori­en­tierung” (58,6 Prozent) und “prax­is­be­zo­gen, aber flex­i­bler, nicht so ein­seit­ig fix­iert” (22,2 Prozent) an.

Darüber hin­aus geben die Ergeb­nisse der Umfrage auch klare Hin­weise zur Ein­schätzung der Konkur­ren­zfähigkeit staatlich­er Hochschulen: Immer­hin 33,4 Prozent sind davon überzeugt, dass Absol­ven­ten pri­vater Hochschulen bess­er qual­i­fiziert sind als die staatlich­er Hochschulen. Unter besser­er Qual­i­fizierung ver­ste­hen die Befragten in diesem Kon­text all­ge­meines Auftreten (63,8 Prozent), Aus­land­ser­fahrun­gen (51,6 Prozent), The­o­rieken­nt­nisse (51,3 Prozent) und Praxis­er­fahrung (50,7 Prozent), beherrschte Sprachen (49,9 Prozent), Durch­set­zungsstärke (39,9 Prozent) und Eigen­ständigkeit (33,8 Prozent).

Zum The­ma Refor­men an den Hochschulen zeigt sich in diesem Jahr ein deut­lich anderes Bild als 2004: Mit­tler­weile haben 65,5 Prozent der Stu­dentin­nen und Stu­den­ten von der Bologna-Erk­lärung gehört oder gele­sen (2004: 19,3 Prozent). Während aber 2004 noch die The­men Ein­führung von Stu­di­enge­bühren (59,1 Prozent), die Förderung von Elite-Uni­ver­sitäten (27,8 Prozent), Einsparungen/Kürzungen (27,1 Prozent) oder BA/­MA-Abschlüsse mit den Refor­men an Hochschulen assozi­iert wer­den, beschäfti­gen die Absol­ven­ten in diesem Jahr Streiks/Studentenproteste (19,9 Prozent), zu hohe Stu­di­enge­bühren (16,8 Prozent), Umstel­lung von Diplom auf BA/­MA-Stu­di­engänge (15,9 Prozent) und die damit zusam­men­hän­gen­den Prob­leme (14,5 Prozent). Gle­ichzeit­ig hat die Akzep­tanz staatlich­er Förder­pro­gramme für Eli­te­u­ni­ver­sitäten abgenom­men. Während 2008 noch knapp die Hälfte (43,4 Prozent) nichts gegen entsprechende Pro­gramme einzuwen­den hat­te, hal­ten aktuell zwei Drit­tel (65,9 Prozent) der Befragten diese Poli­tik für falsch.

Unab­hängig davon, ob an den Hochschulen Stu­di­enge­bühren erhoben wer­den, fordern die Stu­dentin­nen und Stu­den­ten, dass Stu­di­enge­bühren für eine bessere Ausstat­tung (29,9 Prozent), die Verbesserung von Lehre (26,0 Prozent) und Stu­di­enbe­din­gun­gen (19,2 Prozent) all­ge­mein, für eine bessere Betreu­ung durch das Lehrper­son­al (24,9 Prozent) und ein bre­it­eres Lehrange­bot (21,1 Prozent), für mehr Räume/Sanierung der Räum­lichkeit­en (19,4 Prozent), für Bücher/Skripte etc. (17,2 Prozent) und für die Mod­ernisierung der Bib­lio­thek (11,2 Prozent) einge­set­zt wer­den.

In der Prax­is wer­den laut Umfrage die Gebühren für Anschaf­fun­gen neuer Geräte/ Ausstat­tun­gen (24,1 Prozent), für Bücher/Skripte etc. (18,1 Prozent), für mehr qual­i­fiziertes Per­son­al (17,0 Prozent), für bauliche Maß­nah­men (13,9 Prozent), für die Verbesserung der Lehre (13,2 Prozent), für Tutorien/kleinere Kurse einge­set­zt, sowie für Ver­wal­tung (10,2 Prozent) und zum Stopfen von Finan­zlöch­ern (7,5 Prozent).