Die deutsche Autoindustrie steht nicht nur in Sachen Umsatzeinbruch vor einer Art Wende und ihrer größten Herausforderung seit den Siebzigerjahren.
Zwar sehen die führenden Hersteller bereits ganz leicht, aber auch ganz schwach ein Glimmen zurückhaltender Hoffnung am ansonsten schwarz-dunklen Horizont, aber es könnte in einem Jahr ganz andere Probleme geben, selbst wenn es mit dem Verkauf von Automobilen wieder aufwärts geht: Das Sterben wichtiger Zulieferer könnte sich zu einem sehr großen Problem auswachsen.
Niemand hat letztlich damit gerechnet, dass selbst so renommierte Zulieferer wie Karmann Konkurs anmelden müssen. Das 1901 gegründete Unternehmen kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg so richtig in Schwung, als es auf der Frankfurter IAA 1955 das legendäre Ghia Coupé vorstellte. Karmann baute sehr erfolgreich Fahrzeuge und Dachsysteme, Karosserien und komplexe Systeme. Trotzdem scheint das Ende nun besiegelt.
So wie Karmann geht es vielen anderen Autozulieferern bzw. Auftragsfertigern. Sie stehen auf der Kippe oder sind schon im freien Fall. Das Sterben dieser Kategorie hat gerade erst begonnen, „und es wird mit Karmann nicht zu Ende sein“, sagt ein Vorstand eines großen Unternehmens. Er sieht ein Problem auf die Hersteller zukommen: „Wenn die Autokonjunktur wieder anspringt, dann kann es sein, dass wir mangels Zulieferer nicht jedes unserer Modelle auch produzieren können.“
Schon jetzt würden Strategien entwickelt, die Teilelieferung „irgendwie und irgendwo“ sicherzustellen. So sei man gerade dabei, mit Wettbewerbern zu reden, damit möglichst viele Zulieferer über die Durststrecke dieses Jahres gebracht werden können. Tatsächlich ist die deutsche Autoindustrie in hohem Maße auf ihre innovativen Zulieferer angewiesen. Aus dem Stand heraus könne keiner auf sie verzichten. Jetzt rächt sich auch der Trend, viele bislang Zulieferern übertragene Arbeiten zurück ins Werk zu holen. Das hat die Zulieferer schon vor der Krise geschwächt, jetzt brechen sie deshalb vollends ein. Hätte die Industrie ihre Zulieferer gestärkt, könnten diese nun länger durchhalten.
Noch ein anderes Problem zeigt sich in der Zusammenarbeit mit Zulieferern. So verlagert zum Beispiel Continental wichtige Entwicklungsarbeiten nach Osteuropa. Jetzt beklagen sich deutsche Ingenieure eines Premiumherstellers, dort erst mal Entwicklungshilfe leisten zu müssen. Die Kollegen aus dem Osten würden nach Deutschland entsandt, sähen, dass die deutschen Kollegen das Dreifache verdienten, und säßen demotiviert als Gastarbeiter an ihrem Arbeitsplatz bei Conti. „Und wir müssen diesen unerfahrenen Leuten dann gewissermaßen die Hand führen, wenn es um das Programmieren einfachster Systeme geht“, beklagt sich einer. So versuche Conti zwar Geld zu sparen, „aber die Qualität und die Ergebnisse der Arbeit sind unter aller Kanone“.
Conti dürfe sich nicht wundern, wenn das die Zusammenarbeit mit dem Autohersteller belaste. Der deutsche Ingenieur fürchtet eine Sackgasse: „Wir müssen die Entwicklungsarbeiten eigentlich selbst machen, während Conti als Zulieferer Geld sparen will, sich aber letztlich aus der Verantwortung ziehen möchte.“ So geht es natürlich auch nicht. Will Conti schon mit einem Autohersteller gemeinsam entwickeln, muss es auch die besten Leute als Gesprächspartner bereitstellen und darf nicht schlecht ausgebildete Menschen als Entwicklungspartner für die Ingenieure der Autohersteller aufbieten. Dort denkt man bereits über das Ende der gemeinsamen Elektronikentwicklung für ein erfolgreiches Premiummodell nach.
Wenn Conti weiter auf Kosten der Entwicklungsqualität sparen will, wird der Autohersteller über kurz oder lang selbst machen, „was wir praktisch schon heute selbst machen“. Die verbliebenen Zulieferer sollten es nicht riskieren, auch noch ihre Stammkunden zu verprellen. Fest steht, dass die Zulieferer in großen Schwierigkeiten stecken. Diese sollten sie nicht auch noch fördern.
Von Hans-U. Wiersch